Open Access Leseland: Roland Reuß fürchtet einen Schimmer DDR

Reuß’ Kritik beschränkt sich aber nicht nur auf das “Open Access”-Verfahren, bei dem er die “transformierte DDR im Publikationssektor” durchschimmern sieht.

Sollte wirklich stimmen, was heise.de über Roland Reuß und seine Gleichnisfindung berichtet, dann muss man langsam glauben, er sei völlig aus dem Plan geraten. Ernsthaft eingehen kann auf solche Vergleiche jedenfalls nicht mehr. Dabei zeigt er an anderer Stelle nicht unbedingt übermäßig Fantasie:

” Kein Verlag werde etwas drucken, wenn es spätestens sechs Monate später kostenlos im Netz legal verfügbar sei.”

Wir kennen schon mal einen, sogar mittelständischen, der ein Buch sogar zeitgleich frei zur Verfügung stellte, das einen Amazon-Verkaufsrang hat, der für ein derart spezielles Produkt nicht ungewöhnlich ist und auch ansonsten gut lief. Vielleicht war das eine Eintagsfliege, aber es ist ein Gegenbeispiel, das die Angabe “kein Verlag” falsifiziert. Statt den Blockadekurs zu fahren, wäre es eventuell perspektivisch angemessener, die intellektuelle Energie in Hinblick auf eine Anpassung der Geschäftsmodelle an die Rahmenbedingungen einer hybriden Publikationskultur (Print und Digital) zu investieren.

Ob Roland Reuß irgendwann noch die Kurve zum Dialog bekommt, bleibt eine spannende Frage am äußeren Rand der Debatte. Da der Gesamtwortlaut seines Redebeitrags nicht vorliegt, versteht man ihn vielleicht aber auch falsch und er meint gar nicht einen NÖSPL-Versuch oder vermutlich eher noch eine Honecker’sche Wirtschaft, sondern sieht vielmehr eine “Friedliche Revolution” aufziehen, die die Mauer zwischen den beiden Lagern durchlöchert. Die “transformierte DDR” war immerhin die der Nachwende, die des Runden Tisches, die, in der man versuchte, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten, die Gegenwart aktiv zu gestalten und Gesellschaft noch einmal ganz anders zu denken. Das ist natürlich gescheitert und die nicht durchgängig brillante Lösung war, wieder auf ein bewährtes Pferd zu setzen. Sollte Roland Reuß diese Tiefe in seinem Bild mitgedacht haben, dann nehme ich alles zurück und ziehe meinen Hut.

3 Responses to “Open Access Leseland: Roland Reuß fürchtet einen Schimmer DDR”


  1. Diese Debatte nimmt wohl langsam groteske Züge an, wenn die von Ihnen angedeutete Intention des Interviews stimmen sollte. Und sie wird nicht mehr als kritische Diskussion geführt, sondern bauscht sich zunehmend auf. Um die Diskussion, die vom “Heidelberger Apell” ausgelöst wurde, wieder auf ihren Kern zurückführen zu können und damit eigentlich mit den verschiedenen Benutzern/Herstellern/Vertreibern um das Medium “Buch” darüber sich auszutauschen und endlich einen gewissen Kompromiß zu finden, wäre es Zeit, wenn nun Interessenvertretungen wie der Börsenverein oder der Deutsche Bibliotheksverband eine Diskussionsplattform mit einer neutralen Faktenzusammenstellung um die Themen causa google, OpenAccess und elektronische Publikation schaffen würden. Nur so kann man eine “Propagandaschlacht” verhindern! Meinen Sie nicht auch?

  2. Meine ich.

    Die Bemerkung fiel allerdings nicht im Rahmen eines Interviews, sondern bei einer Urheberrechtskonferenz des Bundesjustizministeriums. Ich wüßte gern, wie die dort Anwesenden darauf reagierten.

    Zum Thema Geschäftsmodelle empfehle ich heute auch einen Blick auf diesen Beitrag bei netzwertig.

  1. [...] aktuell im IBI-Weblog den ersten Hinweis zum Heise-Artikel gelesen, dann den Beitrag selbst auf Heise. Die ganze Debatte [...]

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