Wellenbrecher Bibliothek: Der “Wissenstsunami” fegte gestern durch die ZLB

Gestern abend gab es im Ribbeck-Haus der Berliner Stadtbibliothek im Rahmen der Berliner Wirtschaftsgespräche eine Podiumsdiskussion, die wohl ein paar Bojen auslegen sollte, um vor dem “Wissenstsunami” früh zu warnen. Oder besser noch Wellenbrecher aufzubetonieren, denn der Tsunami ist längst erkannt und und den Bibliotheken, geht es anscheinend um Bewältigung, wobei aus dem Titel nicht ganz klar wird, ob sie die Kanalisierung versuchen oder einfach den Wassereinbruch verhindern wollen.
“Es ändert sich schon seit geraumer Zeit einiges”, liest man mäßig erstaunt in der Ankündigung, die identisch auch schon vor zehn Jahren ihr Publikum gezogen hätte. Allerdings hätte es im letzten Jahrtausend keine Twitternachrichten aus dem Vortragsraum gegeben. So aber kann man also, selbst wenn man nicht dabei war, ziemlich gut im Twitter-Archiv von Professor Hobohm den Verlauf der Diskussion nachvollziehen. Tatsächlich scheint Microblogging für solche Veranstaltungen eine exzellente Lösung zu sein. Man liest und ist nicht so unglücklich, die Zeit an einem anderen Ort verbracht zu haben, denn:

Kritik aus dem Publikum: Thema der Veranstaltung (Wissenstsunami) verfehlt!” (link)

Noch lieber läse man von Diskussionen, bei denen man sich grämt ob des verpassten Besuches..

Nimmt man übrigens die Metapher des Wellenbrechers ein wenig ernster, indem man Welle als “Trend” oder “Hype” liest, dann entdeckt man durchaus etwas, das den Reflektionsraum Bibliothek auszeichnet: Man kann in ihm ein paar Stunden aus dem minutenaktuellen Nachrichtenstrom aussteigen, die Kurzzeitwahrnehmung abtrocknen und z.B. anhand alter Zeitschriftenbestände feststellen, dass die geraume Zeit, in der sich einiges ändert, im allgemeinen Maßstab Erdgeschichte heißt und im konkreten Datenbeben vielleicht die Zeit seit der Industrialisierung umfasst, führte doch letzteres zu der Omnipräsenz von spezifischen Verwaltungs-, Dokumentations- und Überwachungsdaten, die uns seit vielleicht zwei Jahrhunderten die Tage füllt.

Das wäre eine schöne Aufgabe von Bibliotheken: beim Verstehen der Themen, die durch die Massen- und Communitymedien die Agenda füllen, zu helfen. Dieser Erklärungsaufgabe haben sich bislang allerdings vorwiegend die so genannten “Qualitätszeitungen” angenommen, die diese Woche vor allem ihre schon damals hilflosen Deutungstexte aus dem Frühjahr 2002 wieder ins Blatt nehmen können. Soviel Neues gibt es auch im Gräßlichen nicht unter der Sonne, als dass man alle Feeds dieser Welt rund um die Uhr originell und aufmerksamkeitsspannend füllen kann. Leider scheint man überall das Gefühl zu haben, dies tun zu müssen.

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