Millionen verplempern mit Suchmaschinen-Großprojekt
Laut heise wird das europäische VaporwareSuchmaschinenprojekt “Quaero” jetzt erstmal geteilt und die Deutschen werden unter der Bezeichnung “Theseus” alleine weiterwurschteln und mal wieder dreistellige Millionenbeträge für zum Scheitern verurteilte Technologien ausgeben (erinnert sich noch jemand an BTX?).
Den Anfang macht die undurchsichtige Vergabe an ein schon in der Vergangenheit negativ aufgefallenes Konzernkonglomerat. Bislang existiert außer Pressemeldungen voller Buzzwordgeladener Luftblasen (“Semantic”, “Tagging”…) nicht mal eine einfache Projektseite. Dafür kann sich der Reihe nach erstmal die Großindustrie bedienen (mit dabei sind die für proriertäre, hochkomplexe Systeme bekannten Firmen SAP, T-Systems und Ex-Sisis-Anteilseigner Siemens), später ist dann “für bestimmte Teilvorhaben bereits Anfang 2008 mit Forschungsergebnissen zu rechnen, die dann gegebenenfalls von der Industrie in die Praxis umgesetzt werden könnten.” (siehe diese Meldung, Hervorhebung von mir).
Von Bibliotheken, Open Access, offener Standards etc. ist da nirgends die Rede – überhaupt sind konkrete (und vernüftige) Vorschläge rar. Dabei lässt sich bereits jetzt mit konsequentem Einsatz von OAI, RSS, OpenSearch etc. bei freiestmöglicher Weitergabe von Daten durch einfache MashUps mehr erreichen, als bei Quaero wahrscheinlich jemals rauskommen wird.
Es besteht also keine Gefahr, das aus dem Projekt etwas Innovatives für die Praxis entsteht. Wer Fördergelder für Blabla abgreifen möchte, ist bei Theseus an der richtigen Stelle, wer sich ein Bild davon machen möchte, wo die Reise eher hingeht, sollte sich anderswo umschauen. Trotzdem schade um die vielen Millionen – mit dem Geld liessen sich hunderte von Bohémiens finanzieren, die dann in ihrer Freizeit auf Plattformen wie diesen, diesen, diesen, und diesen (um nur die bekanntesten zu nennen) hunderfach mehr auf die Beine stellen als jedes Suchmaschinen-Großprojekte. Aber so ist das wohl nun mal.
Es ist schon erstaunlich, daß diejenigen, die offensichtlich nichts über solche Projekte wissen (und nicht nur, weil sie nicht zu einem der beteiligten Projektpartner gehören), am schnellsten mit einer Bewertung sind.
Da Sie, frgr, offensichtlich viel über solche Projekte wissen (vielleicht auch, weil Sie zu einem der beteiligten Projektpartner gehören) wäre es interessant etwas über ihren Standpunkt zu dem Thema zu erfahren.
Ich möchte auch den Beitrag von Jakob unterstützen. Ich denke nicht, dass man ihm mangelhaftes Sachwissen vorwerfen kann, wie er anhand der zahlreichen Verlinkungen in seinem Beitrag auch beweist. Ich verfolge seit mehreren Jahren sowohl “die” deutsche als auch die französische Fach-Mailingliste der Bibliothekswissenschaftler und in beiden Ländern hat man sich negativ über dieses Projekt geäußert. Haben also die alle keine Ahnung wovon sie reden?
Ich halte mich mit Quaero-Beurteilung zurück, jedenfalls solange, bis ich wirklich konstatieren kann, dass der Karren in den Dreck gefahren ist.
Aber kurz zum Artikel: Wo ist denn das Problem mit Bildschirmtext? Der hat immerhin der “breiten Masse” damals via fun-Gateway das Internet gebracht (für zunächst 20 Pf/Min)! Und damit das FidoNet härter getroffen als zunächst vermutet. Nagut, da hieß das Pferd schon “Datex-J”.
@Boris
Es ist immer falsch, auf anonyme Beiträge zu antworten. Das ist nur eine unzulässige Aufwertung von Leuten, die nicht zu ihren Ansichten stehen.
Heute beschäftigt sich auch der Spiegel mit dieser Thematik: Quaero ist geplatzt
“frgr” ist vielleicht gar nicht so anonym, wie Micha glaubt, sondern hat sich vermutlich nur in einem Buchstaben vertippt.
FRBR ist doch eine der eher innovativen Ansätze aus dem Bibliotheksbereich – nur ist das Modell leider noch relativ unbekannt. Ich musste letzte Woche gerade wieder einem Informatiker FRBR erklärte, weil ihm die damit modellierten grundlegende Eigenschaften Bibliographischer Objekte anscheinend unbekannt waren, obwohl er schon seit über einem Jahr an einer bibliographischen Datenbank programmiert. Wenn Theseus auf FRBR aufbaut, wäre das schon ein guter Ansatz, aber ich vermute eher, dass da Leute das Sagen haben, die von Sachen wie FRBR keine Ahnung haben.
@Hans-Werner: Vor dem WWW, das auf offenen Standards wie TCP/IP aufbaut und als offenes System konzipiert war, kann von breiter Masse im Internet keine Rede sein. Zugegeben: Über BTX als Beispiel lässt sich streiten, da gibt es gewiss grandioser gescheiterte Großprojekte. Das aktuelle Buzzword ist dafür “Leuchtturmprojekt”
Es ist doch immer wieder erstaunlich festzustellen, was ich alles nicht kenne. Ohne dass es mich ernsthaft stört …
Die Politiker haben offensichtlich die Chance verpaßt, ein großartiges deutsch-französisches Projekt zu definieren. Die Industrie wollte Geld, und dort kann man sich mit dne Partnern nun anscheinend ncht einigen.
Ich glaube, dass das Google System nicht mehr zeitgemäss ist. Das Problem bei der Suche nach einem Ersatz ist, dass man spricht über Grossprojekten, aber wo und wie der kleine Mann auf der Strasse suchen soll, interessiert die Informatiker nicht. Bei der Entstehung von Google oder Wikipedia hat man offensichtlich dieses Problem erkannt.