IBI-Weblog » Verlagswesen http://weblog.ib.hu-berlin.de Weblog am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Wed, 28 Jun 2017 08:24:09 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.0.4 Wo gibt’s Achillesfersengeld? Der Buchmarkt tappt durchs digitale Dunkel. http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6630/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6630/index.html#comments Fri, 27 Feb 2009 12:16:32 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6630 Zum Finale trompetete der Hamburger Wissenschaftler Michel Clement, der Buchmarkt habe ein Marketing-Problem, weil er einen Schwarzmarkt zulasse, indem er die Bücher nicht digital anbiete. „Wenn es die Verlage nicht tun, tun’s die User.“ Nassforsch stellte er die gängigen Vertriebsformen in Frage: Clement zufolge müssen Bücher heute digitalisiert, in Einzelteile zerlegt, aufbereitet, mit Metadaten angereichert [...]]]>

Zum Finale trompetete der Hamburger Wissenschaftler Michel Clement, der Buchmarkt habe ein Marketing-Problem, weil er einen Schwarzmarkt zulasse, indem er die Bücher nicht digital anbiete. „Wenn es die Verlage nicht tun, tun’s die User.“ Nassforsch stellte er die gängigen Vertriebsformen in Frage: Clement zufolge müssen Bücher heute digitalisiert, in Einzelteile zerlegt, aufbereitet, mit Metadaten angereichert und dann individuell vertrieben werden. Physische Bücher ausdrucken werde man künftig so wie heute Fotos – sei es auf Billigpapier, sei es mit Ledereinband.

Sind wir tatsächlich schon so digital? Erlebt der Buchmarkt im Trompetenstoß des Marketing-Professors Michel Clement sein Jericho? Ganz unrecht hat er vielleicht nicht, mit seiner “nassforschen” (wow!), heute in der Frankfurter Allgemeinen Analyse zum Buchmarkt zitierten Infragestellung. Abgesehen davon, dass ich meine Fotos nicht im Ledereinband ausdrucke, wundert man sich gegenwärtig schon ein wenig, warum Bücher fast durchgängig digital erstellt und oft digital gedruckt werden, die Verlage sich aber bei der digitalen Auslieferung so schwer tun. Der drohende digitale Schwarzmarkt wird dabei als Grund für eine weitwaltende Vorsicht (lies:Angst) in der Branche gesehen, ein Markt, der keine nationalen Rechtsbindungen mehr kennt:

Von rechtsstaatlichen Verhältnisssen im Netz träumen viele, derweil sich eine Download-Seite wie RapidShare einen Weltspitzenplatz erobert.


In der Tat kann man sich mit jeder gängigen Suchmaschine Zugang zu Seiten verschaffen, die Links auf üppige E-Book-Sammlungen enthalten. Vielleicht bin ich untypisch und/oder mittlerweile der Hamsterei abhold, aber die Aussicht binnen weniger 5000 neue Titel auf meiner Festplatte zu haben, deren Sammlung nicht einmal über ein bibliophile Neigung zu rechtfertigen ist, wirkt auf mich eher erschreckend. Denn im Gegensatz zur Musik, die nach und nach bei der Arbeit am Rechner als Klangtapete durchlaufen kann, erfordert Text meiner Erfahrung nach eine aktive und ausschließliche Wahrnehmung. Bei 5000 Titeln benötigt allein die Sichtung im Umfang von 5 Minuten pro Buch nahezu drei Wochen. Die 5000 Musikstücke habe ich in der Zeit immerhin einmal komplett durchgehört. Die praktische Motivation dahinter erscheint mir also kaum gegeben.

Und selbst im Musikbereich scheint das Horten von Gigabyte-großen Mengen Tonkunst den Zenit überschritten zu haben. Er erfüllt sich, was Jeremy Rifkin mit seinem Access-Principle vor einigen Jahren einmal ausformulierte: Wir kaufen (oder rauben) uns nicht das Objekt, also z.B- die mp3-Datei, sondern den Zugang zu diesem. Wer seine Musik bei last.fm sammelt, braucht nur noch den Zugang zum Netz und hat fast alle Songs, die man sich im Normalfall so vorstellen kann, für verhältnismäßig wenig Geld verfügbar. Und das man dort nach dem exzellenten Blechbläser Joris Roelofs bislang vergeblich sucht, liegt nicht am Prinzip, sondern daran, dass sein Label noch nicht auf dem Zug mitfährt und man noch auf seine Website gehen muss, um ihn zu hören.

Für die Verlage wäre das Bücherregal in der Cloud jedenfalls ein sinnvolleres Vorbild, als der wilde Lanzenritt gegen die Piraterie und die Überlegung, Dateien zu verkaufen. Amazon marschiert bereits ein wenig in diese Richtung, in dem einmal gekaufte Bücher auf dem Server vorgehalten werden. Google Books versucht und plant es in gewisser Weise auch: Der Leser mit seinem Lesegerät – das kann auch ein PC sein – erwirbt nicht das Buch, sondern den Zugang zu einem Text unter bestimmten Bedingungen, für eine bestimmte Nutzung und für einen bestimmten Zeitraum. Bei elektronischen Zeitschriften in der Wissenschaft funktioniert das Verfahren schon, nur eben der Markt nicht, so dass die Preisgestaltung mehr als unverschämt – eigentlich nassforsch – ist. Steht aber der Rahmen, macht das ubiquitäre Netz eine lokale Datenhaltung gar nicht mehr erforderlich und dem Kunden das Leben in gewisser Weise leichter. Keine Reader mehr für 300 Euro, sondern – analog zum Mobilfunkmarkt – für eine Schutzgebühr im Zusammenhang mit einer längerfristigen Vertragsbindung und gegebenenfalls einer Bücherflatrate zum Monatstarif. Warum der Bertelsmann-Buchclub diesen Strohhalm nicht greift, bleibt für mich nach wie vor ein Rätsel.

Gleichzeitig bleibt beständig die Frage im Raum, warum sich die Verlage momentan den Sprung in ein digitales Buchgeschäft überhaupt antun, wenn der Vorstandsvorsitzende von Random House Deutschland, Joerg Pfuhl, von „erhebliche[n] Investitionen in die neuen Technologie, die derzeit nicht refinanzierbar“ sind, spricht. Genauso, wie ich mir aktuell kaum vorstellen kann, dass die E-Book-Piraterie im Netz großartig boomt, sehe ich bislang überhaupt keinen übermäßigen Massenbedarf an elektronischen Büchern. Man investiert bislang tatsächlich für einen Fall, von dem kaum jemand einschätzen kann, wann er wie eintritt. Solange der P-Markt sein Niveau hält, gibt es eigentlich keinen Grund zur Panik. Ein Buch ist keine Musik-CD. Print-on-Demand-Angebot sind sicherlich für die Verlage bei Kleinauflagen eine wirtschaftlich sinnvolle Option. Für einen – noch billigeren – e-only-Vertrieb fehlen momentan jedoch im Publikumsgeschäft deutliche Anreize. Dies umso mehr angesichts dieser Feststellung:

Vierzig Prozent der Deutschen greifen nur noch selten oder nie zu einem Buch.

Ob es die Quote verbessert, wenn man der Blu-Ray-Disc ein E-Pub-Dokument entgegenstellt? Hier kommen letztlich auch wieder Bibliotheken mit ihrer möglichen Wirkung auf die Gesellschaft ins Spiel:

Leseförderung sei, wie Marktforscher Michael Söndermann so schön sagte, „die offene Achillesferse“ überhaupt.

Die wird vielleicht auch dann noch relevant sein, wenn wir endlich alle unsere Texte kindlen.

Update

Vielleicht sollte ich noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass sich meine Aussagen hier nahezu ausschließlich auf den Publikumsmarkt beziehen. Für Fachinformationen gilt selbstverständlich, was Thierry Chervel heute schreibt:

Wer über den Buchmarkt spricht, sollte einen Blick auf die „Professional Information“-Verlage werfen: Konzerne wie Thomson verkaufen ihre Fachpublikationen nur ausnahmsweise noch zwischen Pappdeckeln. Was sie eigentlich verkaufen, ist Zugang.

Der Buchmarktexperte Rüdiger Wischenbart hat ausgerechnet, dass achtzig Prozent aller von diesen Verlagen produzierten Inhalte heute ausschließlich per Internet vertrieben werden. Wer nachdenkt, dem fällt’s wie Schuppen von den Augen. Bestimmte Arten von Büchern werden immer seltener benutzt: Stadtpläne, Wörterbücher, Lexika. Wer hat noch Loseblattsammlungen im Regal?

Leider vermischen aber auch diese Medienexperten und Perlentaucher zwei Formen, die der klareren Sicht halber getrennt betrachtet werden sollten.  Denn “Stadtpläne, Wörterbücher, Lexika” und meist Loseblattsammlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht einen linearen Textfluß, sondern punktuell abzurufende Information enthalten. Sie sind also Informations- und Gebrauchsmedien, denen die, nennen wir sie mal so, Lektüremedien der Publikationsverlage gegenüber stehen. Es gibt eben nicht den Buchmarkt und den Facettenreichtum des Gegenstands einerseits zu ermitteln und andererseits zielgerichtet zu betrachten, sollte die Debatte eher bestimmen, als die gegenseitigen Schlagwortattacken (” Das Buch ist eine Website, die man bindet.”) von Vertretern der elektronischen und der gedruckten Medien. Und das Krimi-Strand-Beispiel kann man 2009 auch langsam einmotten…

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Wenig Neues vom Thema No. 1: Die FAZ (wieder mal) über das E-Book. http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6378/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6378/index.html#comments Fri, 05 Dec 2008 19:19:12 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6378 Werden bald elektronische Lesegeräte wie der Amazon Kindle das gute, alte Buch ersetzen? fragt die Frankfurter Allgemeine Zeitung auch morgen wieder, vielleicht weil es ihr an originellen Bildunterschriften mangelt. Ansonsten wissen Hubert Spiegel-Leser nach Durchsicht seines aktuellen Beitrags nicht viel mehr, außer vielleicht, dass die japanische Autorin Mica Naitoh dort als Handyschriftstellerin zu Ruhm gekommen [...]]]>

Werden bald elektronische Lesegeräte wie der Amazon Kindle das gute, alte Buch ersetzen?

fragt die Frankfurter Allgemeine Zeitung auch morgen wieder, vielleicht weil es ihr an originellen Bildunterschriften mangelt. Ansonsten wissen Hubert Spiegel-Leser nach Durchsicht seines aktuellen Beitrags nicht viel mehr, außer vielleicht, dass die japanische Autorin Mica Naitoh dort als Handyschriftstellerin zu Ruhm gekommen ist (hier ein Beitrag vom letzten Jahr zum Thema). Und weiter liest man:

Dass sich „phone novels“ hierzulande jemals durchsetzen könnten, dürften die meisten deutschen Verleger für völlig unwahrscheinlich halten. Aber deutsche Verleger konnten sich bis vor wenigen Wochen auch noch nicht vorstellen, dass der vor zehn Jahren als vermeintliche Totgeburt gestartete eBook-Reader, das digitale Lesegerät, das wichtigste Thema des Jahres 2009 für sie werden könnte. Die Buchbranche hat über Jahre in zwei Kernbereichen umgekehrt proportionales Wachstumsverhalten gezeigt: Man hat immer mehr Titel auf den Markt geworfen und immer weniger Phantasie entwickelt. Anders gesagt: Man hat immer mehr gedruckt und immer weniger gedacht.

Die etwas orientierungslos wirkende Branche sucht nach wie vor einen Halt in der Kurve, die die Musikindustrie eher schlecht als recht zu bekommen scheint (“Im letzten Jahr hat die amerikanische Musikindustrie fast ein Viertel ihres Umsatzes mit digitalen Inhalten gemacht, 2005 waren es erst neun Prozent. Aber auch der Zuwachs reicht keineswegs aus, um die Verluste auszugleichen, die im traditionellen Geschäftsfeld auflaufen.”)
Wie viele Verluste fährt eigentlich der Buchmarkt aktuell in seinem traditionellen Geschäftsfeld ein?

Irrigerweise werden hier zwei Sphären vermischt, die besser getrennt zu betrachten sind:
Die Musikindustrie begann sich gezwungenermaßen zu dem Zeitpunkt für die digitale (sprich:mp3) Vermarktung zu begeistern, als die Musikliebhaber massiv mit selbstdigitalisierten, bzw. von CD abkopierten, Titeln auf selbstorganisierende Tauschbörsen drängten und die kommerziellen Vermarkter locker umsegelten.
Obwohl Textformate weitaus länger als mp3-Standards für den Hausgebrauch verfügbar sind, dürften sich die Umsatzeinbrüche, die der Buchhandel erleidet, weil sich Literaturfans PDFs hin und her napstern, bislang minimal sein. Die Motivation einer sich verselbstständigenden wilden Nutzung durch Selbstkopierer und digitalen Book Crossern das Wasser abzugraben, ist für besonders kontrollwütige Verlage vielleicht erstrebenswert, für die Branche im Sinne einer die Wirtschaftlichkeit sichernde Reißleine jedoch bisher nicht gegeben.

Der Handlungsdruck reicht also in diesem Punkt noch nicht, um das Ventil zu sprengen. Richtig attraktiv erscheint das Ganze momentan ohnehin nur für die Doppelverdiener, d.h. die, die Lesegerät und Inhalte verkaufen und kontrollieren. Allerdings müssen diejenigen, die Inhalte liefern, noch zum Zuliefern überredet werden, um die antizipierte Breite im Sortiment für einen florierenden Markt zu bekommen. Nur mit “hochwertigen E-Books für Heimarbeiter” wird man den Buchmarkt nicht dauerhaft aufmischen. Auch die 25.000+ txt-Files des Project Gutenberg hat nun mittlerweile jeder auf seinem Laptop zwischengespeichert. Oder die 15 davon, die ihn interessieren.

Der zweite Aspekt, aus dem sich ebenfalls ableitet, warum wir noch nicht wie irre unsere Büchersammlungen abscannen und filesharen, bezieht sich darauf, dass der Aufwand sowohl der Anfertigung von Kopien über einen Scanner (oder gar eine Tastatur), wie auch der Rezeption über ein Display einen Komplexitätssprung im Umgang mit dem Medium bedeutet, der durch die gegebenen Vorteile nur bedingt kompensiert wird.
Das Buch liefert sein Lesegerät nämlich traditionell gleich mit. Für die elektronische Variante muss man sich dagegen erst eines beschaffen. Daher lässt sich das Buch wohl eher mit einem Musikinstrument als mit einem Tonträger vergleichen. Das passt auch auf den Rezeptionsvorgang: Sowohl das Spielen des Instruments wie auch das Lesen eines Textes muss man, im Gegensatz zum Hören einer Tonkonserve, lernen. Und nebenbei lesen, während man das Auto wäscht, geht auch schlecht (Hörbücher mal ausgeklammert).

Man muss sich entsprechend vor Augen halten, dass der Schritt zum E-Book den Umgang mit dem Medium für die Kunden zunächst einmal verkompliziert. Der Vorteil, dass man nun – ähnlich wie auf dem iPod – tausende Titel mit sich herumtragen kann, relativiert sich angesichts der Alltagserfahrung, dass gerade die Leute, die sich heute mit tausenden Buchtiteln umgeben, zumeist ausgerechnet auch die physische Form im Bibliothekszimmer stehen haben möchten. Die “Digital Natives” mögen das anders sehen. Aber die begeistern sich vielleicht für andere Textformen und lesen lieber kurzweilige Kurzgeschichten als Döblins Wallenstein.

Verlage wie auch Bibliotheken sollten daher möglicherweise zu ihrem gemeinschaftlichen Sinnieren zum Thema Nummer 1 des Jahres 2009 den Gedanken hinzufügen, dass Texte für elektronische Darstellung schon strukturell anders sein sollten, als die, die für die Buchpublikation geschrieben, gesetzt und gelayoutet wurden (Thema: Longlist). Was nicht passt, kann man oft passend machen. Dies aber im vorliegenden Fall mit enormen Aufwand und beschränkter Zweckhaftigkeit. Print-on-demand ist für das Zugänglichmachen vergriffener Titel sicher die bessere Variante. Zur Not auch der PDF-Vertrieb. Die wirkliche E-Book-Belletristik braucht dagegen erst einmal passende Schriftsteller. Die Talentscouts der Verlage sollten für die Zukunft durchaus auch mal in dieser Richtung suchen.

Schließlich: Ich habe es heute schon einmal an anderer Stelle betont: Die Akteure auf dem Geschäftsfeld müssen natürlich forcieren und Druck aufbauen. Dennoch besteht für die alte Dame FAZ wohl kaum ein Grund, auf die gezwungene Hysterie eines Arvato/Bertelsmann-Vertreters hereinzufallen und dessen Aufscheuchen: “Zögert nicht zu lange! Abwarten bringt nichts! Handelt jetzt!” zu ihrer Überschrift zu machen. Sie tut es trotzdem: Zögert nicht, handelt!

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Sie haben Großes zu sagen: In Yale diskutierte man über die Relevanz des Mediums Buch http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6334/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6334/index.html#comments Fri, 28 Nov 2008 01:06:56 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6334 John Donatich, director of Yale University Press, invoked the theme—the hazy economic future of print works in an increasingly digitized publishing environment—in his keynote address, saying, “Many look forward to the day in which we can etherize books online and commit what the director of the Beinecke Library, Frank Turner, calls ‘bibliographic euthanasia.’ ” Vor [...]]]>

John Donatich, director of Yale University Press, invoked the theme—the hazy economic future of print works in an increasingly digitized publishing environment—in his keynote address, saying, “Many look forward to the day in which we can etherize books online and commit what the director of the Beinecke Library, Frank Turner, calls ‘bibliographic euthanasia.’ ”

Vor zwei Wochen luden die amerikanischen Universitätsverlage nach New Haven um die Frage “Why Books Still Matter” zu beantworten, was allerdings, glaubt man der Zusammenfassung bei Publishers Weekly, nicht sehr originell gelang. Womöglich war einfach schon die Leitfrage verkehrt gestellt. In jedem Fall bleibt der Eindruck, als würde an der Front zwischen “Rettet das Buch als Leitmedium der Zivilisation” und “Habt euch nicht so, der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten” fest Stellung bezogen, ohne dass man die Unsinnigkeit des ausgerufenen Blickwinkels auf das Thema selbst thematisiert.

So kippt die Aggregationskultur mit den erneuten Beteuerungen von Yochai Benkler und Michael Heller (“emphasizing that all forms of culture today, from music to news, involve assembling information from various sources”) weiterhin demnächst die rückständigen und den Fortgang der kulturellen Entwicklung behindernden traditionellen Geschäftsmodelle auf den Müllplatz der Wirtschaftsgeschichte. Die Freunde des Druckwerks können nichts Besseres als Gegenargument aufbieten als: “Books have something big to say.” Zweifellos haben sie das. Aber nicht alle. Und darum geht es hier auch nicht.

Große Worte allein sind nämlich noch keine sachliche Begründung, warum etwas noch immer relevant ist. Und das Umsatteln von weichen auf harte Wissenschaften, wie es der Princeton-Vertreter Peter Dougherty als Rettungsszenario für die Universitätsverlage andeutet, verkennt in eigenartiger Weise, dass gerade die STM-Fächer dem Schneckenmedium Buch bereits etwas länger, etwa seit den Philosophical Transactions, herzlich wenig abgewinnen können und lieber andere Kommunikationswege benützen.

Auch dass sich die Simultanpublikation von elektronisch in Open Access und gedruckt im Buchhandel rechnen kann, ist keine ganz neue Erkenntnis, wird aber sicher zurecht noch einmal betont. Hierbei zahlt der Käufer tatsächlich für Materialität und nicht für den bloßen Zugang zum Inhalt. Der Bedarf ist augenscheinlich da (“we sold 4,000 to 6,000 copies of the print edition“) und das Scheuklappern der Verleger, das auf der verrückten Knausrigkeitsvermutung, der Leser lese lieber ein billiges PDF als den handlichen Band z.B. im Lesesaal der Universitätsbibliothek, aufbaut, erweist sich erwartungsgemäß als Zeichen für eine schwer begründbare aber doch deutlich sichtbare Nervösität und zeigt nebenher, wie wenig die Vertreter des in ihren Augen überlegenen Mediums ihrer Zielgruppe so zutrauen.

Eigentlich will man als Wissenschaftler im Wissenschaftsalltag ja beides: das Buch zum konzentrierten Deep Reading, zum Unterstreichen, Lesezeichen einkleben und Eselsohren knicken und das PDF um gezielt zu suchen, ob man nicht eine entscheidende Textstelle übersehen hat und nicht zuletzt zum Herauskopieren der Zitate.

Bei sehr spezifischen Themen bietet die Print-on-Demand-Technik tatsächlich sogar die Option, Texte, die man sonst nie gedruckt und gebunden kaufen könnte, plötzlich in ganz klassischer Druckform anzubieten. Die potentielle Rolle des Buches als Medium ist somit, richtig gehandhabt, größer denn je. Nur haben die Vorstellungen davon, wie man mit dem Buch Geld verdienen kann, aktuell den Fehler, etwas fantasiearm zu sein, weswegen man sich mit den hinderlichen “Entweder-Oder”-Scharmützeln konfrontiert sehen muss.

Wenn man sich einmal von der Zuspitzung in der Frage nach der Zukunftstauglichkeit ablöste und vielleicht darüber sinnierte, wie die gegenwärtigen verfügbaren und allesamt validen medialen Formen in eine sinnvolle Wechselbeziehung gesetzt werden könnten, entstände möglicherweise als Fazit etwas Substantielleres als ein fröhliches Wortspiel wie dieses:

“Dougherty concluded with the hope that the panel question “whither the university press” wouldn’t become “wither the university press.””

Die Diskussion zum Thema, sofern Publishers Weekly die Diskussion realitätsnah referiert, wirkt in der Tat über weite Strecken etwas verwelkt.

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no idea store, A.L. Kennedy zum britischen Bibliothekswesen http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=5768/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=5768/index.html#comments Mon, 16 Jun 2008 18:31:59 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=5768 Alle, die gern auch im britischen Bibliothekswesen einen Vorbildcharakter für das deutsche sehen wollen, sollten vielleicht mal das Gespräch mit der Schriftstellerin A.L. Kennedy suchen. Diese führt in ihrer Rede zur Verleihung des 1. Internationalen Eifel-Literaturpreis, die man in einer gekürzten Form heute im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachlesen kann, nämlich ziemlich kulturpessimistisch Folgendes [...]]]>

Alle, die gern auch im britischen Bibliothekswesen einen Vorbildcharakter für das deutsche sehen wollen, sollten vielleicht mal das Gespräch mit der Schriftstellerin A.L. Kennedy suchen. Diese führt in ihrer Rede zur Verleihung des 1. Internationalen Eifel-Literaturpreis, die man in einer gekürzten Form heute im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachlesen kann, nämlich ziemlich kulturpessimistisch Folgendes aus:

“[...] Wir hatten früher Bibliotheken, in denen jedermann nicht nur die Bücher finden konnte, nach denen er suchte, sondern auch, oh Wunder, Vergnügen und Unterhaltung. Ich bin so vielen Briten begegnet, die eine mäßige Ausbildung genossen haben und die einfach zur öffentlichen Bibliothek gegangen sind, um zu lesen – um erfüllter und reicher zu sein. Wir haben unser Bibliothekswesen zerstört, wir haben unsere eigenen Bücher entfernt, Gebäude geschlossen und Öffnungszeiten reduziert. Wir verbrennen keine Bücher, das nicht, aber wir lassen sie still und leise verschwinden. In Großbritannien gehören unsere Verlage größtenteils riesigen Konzernen innerhalb noch größerer Korporationen mit noch größeren Gesellschaften – Unternehmen, die wenig oder gar kein Interesse daran haben, die Kultur unserer Nation zu bewahren und zu fördern und sie dem Rest der Welt zugänglich zu machen. [...]“

(Kennedy, A.L.: Wir werden zerstört. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 16. 06.2008 S. 33)

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3.0, dem “Verlag” angeheftet http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=5723/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=5723/index.html#comments Thu, 29 May 2008 12:58:46 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=5723 Auch der Verlag 3.0 verlegt »klassische« Produkte wie Bücher oder Zeitschriften, allerdings vernetzt er sich stark mit seinen Kunden. … Dabei geht es nicht unbedingt um den Direktverkauf, sondern um Direktwerbung bei den Kunden, die Bücher weiterhin über den Buchhandel beziehen können. Verlag 3.0 bedeutet also weit mehr als den Betrieb einer Internetcommunity oder das [...]]]>

Auch der Verlag 3.0 verlegt »klassische« Produkte wie Bücher oder Zeitschriften, allerdings vernetzt er sich stark mit seinen Kunden. … Dabei geht es nicht unbedingt um den Direktverkauf, sondern um Direktwerbung bei den Kunden, die Bücher weiterhin über den Buchhandel beziehen können.
Verlag 3.0 bedeutet also weit mehr als den Betrieb einer Internetcommunity oder das Aufsetzen von Autorenblogs. Verlag 3.0 bedeutet, mit den Kunden in ein symbiotisches Verhältnis zu treten, Kunden zu Publishers zu machen und die Dynamik neuer Geschäftsmodelle erkennen und umsetzen zu können.

Die Versionierung ist also immer noch sehr beliebt, wie man heute in einem Meinungsbeitrag im Börsenblatt nachlesen kann: Kunden als Publisher.
Allerdings geht der Autor und mit ihm vielleicht der Buchhandel und das Verlagswesen einen etwas anderen Weg. Die 2.0-Version ist dort nämlich noch nicht die aus dem Web 2.0 bekannte und berühmte Rückkanalfähigkeit von Angeboten, sondern die Distribution crossmedialer Informationen und die Veranstaltung von Kongressen. Da wäre die Bibliothek schon lange Bibliothek 2.0, denn das Bibliothekswesen ist schon lange bekannt für seine Freude an Kongressen, Symposien und (Un-)Konferenzen. Bei der Bibliothek 3.0 sind wir wohl momentan noch gar nicht.

Web 3.0 wird dagegen eher mit einer semantischen Durchstrukturierung von Inhalten, die dadurch eben über semantische Kriterien maschinenverarbeitbar werden, in Verbindung gebracht. Gerade für elektronische Verlagsangebote ist dies sicher hochinteressant, nur wäre man dann vermutlich schon wieder beim Verlag 4.0 und so sind Missverständnisse auf Dauer vorprogrammiert. Vielleicht kann man auch irgendwann wieder auf die Versionierungsmetaphorik verzichten und den Verlag 6.0 schlicht Verlag Vista nennen. Oder einfach: Verlag und die Zeitgenossen wissen, was man mit dem Begriff alles verbinden kann.

So käme man auch zurück zum Perpetual Beta, was eigentlich nur bedeutet, dass sich etwas permanent und ohne deutlich festgelegte Zäsuren oder Abschlüsse vermittelt. Dies dürfte jedes offene System, z.B. das Verlags- oder Bibliothekswesen oder die flüssige (flüchtige) Moderne an sich, die den in ihr befindlichen Menschen ohnehin und mehr denn je auf Extreme Programming seiner Lebensentwürfe eicht, betreffen. Versionierung bedeutet dagegen immer eine Fixierung in einen bestimmten Rahmen, etwa so wie ein Datums- oder Friststempel. Darin liegt eine kleine Ironie des Web 2.0-Konzepts: es begrenzt, in dem es sich das Perpetual Beta als Eigenschaft einverleibt, etwas, was eigentlich nicht begrenzbar ist. Jedenfalls dann, wenn man die Ebenen vermischt und auf einmal Softwareentwicklung mit allgemeinen Handlungskonzepten verwurstelt…

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