Die Angst vor dem Blitzschlag: Umberto Ecos kleine Speichermedientypologie in der Frankfurter Rundschau

Ein weiteres Manko ist, dass nahezu alle elektronischen Datenträger durch einen Stromstoß, Blitzschlag oder sogar noch banalere Ereignisse entmagnetisiert und gelöscht werden können. Wenn ein Stromausfall lange genug andauert, komme ich nicht mehr an meine Daten heran. Wenn mein Computer im fünften Stock aus dem Fenster fällt, kann ich mich darauf verlassen, alle Daten zu verlieren. Fällt aber ein Buch aus dieser Höhe, wird schlimmstenfalls die Bindung brechen.

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau betrachtet Umberto Eco ganz anschaulich und lebensnah verschiedene Speichermedien und deren Grenzen, die dann auch immer die der auf ihnen abgelegten Daten sind. Das Speichermedium Buch punktet dabei aufgrund seiner Robustheit, die der Mikroelektronik doch relativ überlegen scheint. Und er zieht eine elementare Unterscheidung zwischen Buch und elektronischen Medien:

Es scheint, dass die modernen Speichermedien mehr zur Verbreitung von Informationen taugen als zu deren Erhaltung. Bücher dienen seit langer Zeit sowohl der Verbreitung [...] als auch der Erhaltung unseres Wissens.

Dass ein Mikrofilm allerdings, wie Eco schreibt, anfälliger für Beschädigungen sein soll, als ein Buch, entspricht nicht dem, was ich gelernt und erfahren habe. Und zählen der Mikrofilm und die Fotos im Allgemeinen tatsächlich zu dem, was man mit elektronischen Speichermedien bezeichnet? Medienhistorisch meine ich hier eine unerwartete Unschärfe zu entdecken. Beschränkt man sich aber auf Digitalmedien, so stimmt es sicher, dass die Datenhaltung in diesen gemeinhin aufwendiger ist, da man seine Daten regelmäßig umkopieren muss. Und rein ästhetisch beurteilt sind die Plastikmedien (CDs etc.) zweifellos die weniger hübschen Schwestern des Papiers.  Ein CD-Rom-Regal im Wohnzimmer imponiert bestenfalls durch Konsequenz, eine in Schweinsleder gebundene Lexikonreihung ist schon an sich ein eindrucksvolles Objekt, besonders natürlich, wenn sie kaum Gebrauchsspuren aufweist.

Was die Daten(er)haltung angeht, stellt die so genannte Cloud mit ihren für den Nutzer virtuellen Speichern, eine Möglichkeit dar, dass man sich zukünftig solch Mühsal spart. Eine sichere und jederzeit verfügbare virtuelle Festplatte anzubieten ist vermutlich ein Geschäftsmodell im Web, das neben der Werbung funktionieren kann.  Wenn dann der Rechner aus dem Fenster fällt ist nur das prinzipiell ersetzbare Zugangsgerät verloren.  Man hörte übrigens schon von Datenrettungsspezialisten, die einer Festplatte selbst nach Stürzen aus höherer Höhe noch so manches entlocken konnten. Vielleicht ist der fünfte Stock dafür dann aber doch zu hoch… Eco setzt übrigens, wie er schreibt, auf doppelte Datenhaltung und besitzt die Weltliteratur sowohl auf Festplatte wie in Papier.

Den Artikel gibt es hier: Wenn der PC aus dem 5. Stock fällt

3 Responses to “Die Angst vor dem Blitzschlag: Umberto Ecos kleine Speichermedientypologie in der Frankfurter Rundschau”


  1. Ja, natürlich. Wenn der PC außem Fenster fällt, isser kaputt. Was passiert, wenn das Buch ins Wasser fällt? Oder, um ein Beispiel zu wählen, was nur Bücher gefährdet und PCs nicht: was ist mit Holzwürmern, Tintenfraß, Mäusen und anderem Geziefer? Jeder wähle seine Beispiele …

    Kein Zweifel, dass im Augenblick Steinstelen oder Hadernpapier-Bücher sich besser erhalten. Aber die Technik ist ja auch noch nicht 2.000 Jahre alt und man darf ihr wohl noch ein bisschen Zeit zur Entwicklung lassen. Eine interessante Frage ist schon, ob Eco glaubt, dass in zweitausend jahren immer noch der Codex Hammurabi im Museum steht, oder ob davon dann wenigstens noch elektronische (oder was immer dann das funktionale Äquivalent sein wird) Abschriften existieren.
    Einzeldinge (Steinstelen, Handschriften, Papyri etc.) sind immer gefährdet (siehe Köln)! Kopieren schützt vielleicht das Medium nicht, aber es verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die Information verloren geht. Und:
    Es ist wahrscheinlicher, dass meine Bibliothek bei einem Erdbeben zerstört wird, als dass mein PC aus dem Fenster fällt (im 5. Stock). Das erstere wäre ein Naturereignis. Das letztere nur als Bewusstes Handeln möglich.

  1. [...] doch sehr fragwürdig und selbst im Falle von Umberto Ecco nicht ganz überdacht, wie auch im IBI-Weblog diskutiert wird.. Ich bin sehr sicher, dass bei entsprechender Lesequalität elektronische [...]

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