Das Wissen der Welt, ausgestellt

Das Wissen wurde digitalisiert und zu Datenhäppchen verarbeitet, die leeren Regale künden vom Ende einer Epoche. Die Informationsgesellschaft ist das Privatissimum für Passwortkenner.

Der Tagesspiegel bespricht heute die Ausstellung Toute la mémoire du monde von Nina Fischer und Maroan el Sani, welche aktuell (bis 18. März) im Berliner Ableger der Galerie Eigen+Art zu sehen ist: Was vom Wissen übrig bleibt

Ein bisschen Material zur Ausstellung/Installation bietet die Galerie in diesem PDF an.

1 Response to “Das Wissen der Welt, ausgestellt”


  1. Heute Nachmittag konnte ich bei Eigen+Art in Berlins Galeriemeile Auguststraße einen kleinen Zwischenstopp einlegen, der, obschon eher kurz, durchaus ausreichend zum Erfassen und Verarbeiten der Installation war, die mich nicht sonderlich umwarf.

    Als jemand, dem das Vergnügen, Alain Resnais’ Film “Toute la mémoire du monde” aus dem Jahre 1956 zu sehen vergönnt war, bin ich sicherlich befangen und so möchte ich zwei Möglichkeiten zur Beschreibung meiner Empfindung zulassen: erstens: mir fehlt das Feingefühl um die Tiefe und Erhabenheit der kleinen Ausstellung von Nina Fischer und Maroan El Sani tatsächlich zu würdigen oder zweitens: die beiden haben es sich etwas leicht gemacht und ein bisschen Buzzwords bzw. leicht plakative Phrasen wie “Das Wissen ist verschwunden.” und “Ein apokalyptisches Bild” durcheinandergewürfelt. Nachvollziehen kann ich das, was ich sehe, jedenfalls nicht so recht.
    Die beiden kurzen Filme, die an der Rückwand eines blütenweißen, frei im Raum stehenden (Taschenbuch)Regals per Beamerprojektion in Schleife ablaufen, wirken auf mich nicht sonderlich apokalyptisch; jemand der die Massen von Büchern und Bänden, deren Aufbewahrung nach wie vor ein zentrales Problem der Bibliotheken darstellt, relativ nah vor Augen hat, erfreut sich eher an den leeren Magazinen, die doch freien, zukünftig nutzbaren Speicherraum repräsentieren. Die Bilder einer verwilderten Bibliothek in einer Reportage über eine verlassene russische “Experimental”siedlung auf Spitzbergen, mit den zusammengefallen Regalen und den verschmutzten Kinderbüchern, die ich vor einigen Jahren sehen konnte, wirkte da weitaus endzeitlicher als die wunderbar in Schuß gehaltenen Regalmeter des Labrouste-Baus in der Rue de Richelieu, die auf neue Medien nur zu warten schienen. Sogar ein Bücherlift funktioniert noch, wie an einer Stelle sichtbar im Filmchen wird. Die “Handvoll junger Leute, die dort die Zeit verstreichen lassen” wirken nun sowohl lachend wie auch im knall gelben Aufzug mit pathetisch-gelangweiltem Gesicht fingerschnippend durchaus fehl am Platz. Die Erklärung “Der Wissensentzug ruft bei den Wartenden erste Anzeichen des Unmuts, erste Anzeichen eines Aufstands hervor” wird für mich – nun – etwas bemüht eingesetzt und ist mit dem Gezeigten nicht schlüssig – dies aber wieder aus der Perspektive von Jemandem, der sicher einen grundverschiedenen Zugang zur Problematik hat, als es die Künstler mitbringen (wollen). Neben den beiden Film-Loops und dem “Magazin” genannten Regalobjekt gehört zur Installation noch eine Serie von 4 zugegeben “dokumentarisch” sehr gelungenen großformatigen Fotografien, die durchaus auch etwas Kontemplations- und Reflexionspotential besitzen.

    Die Idee, die Leere eines ausgedienten Bibliotheksgebäudes – noch dazu eines solch grandiosen wie dem Salle Labrouste – künstlerisch zu thematisieren, ist so naheliegend wie vielversprechend. Die Umsetzung ist meiner Wahrnehmung nach leider nicht überzeugend gelungen. Besonders den Zusammenhang zu Resnais’ vor dem Hintergrund der Fortschritts- und Wissensutopien der 1950er Jahren entstandener Film und dem quasi Scheitern der Idee des “universellen Wissens” in seiner Komplexität und gleichzeitigen Zersplitterung in der Nach-Postmoderne bietet meiner Meinung nach ein weitaus größeres Potential, als hier ausgeschöpft wird. In der vorliegenden Form wirkt entsprechend die kleine Zusammenstellung über das Thema “Alles Wissen der Welt” auf mich nicht mehr als “nett”.

Leave a Reply

You must login to post a comment.