Exclusive Access. New Yorks zeitgenössischstes Wohngebäude hat eine Mieterbücherei.

Für meine u.a. gestern vertretene These zur Stabilität des Mediums Buch in bestimmten Statuskreisen passt ein Detail des heute in der FAZ von Jordan Mejias vorgestellten, fantastischen Wohnhochhauses, das Frank Gehry in den New Yorker Himmel wachsen ließ.

Die Wohnungen des Hipster-Gebäudes schlechthin mit seinen für den Berliner Blick astronomischen und für den New Yorker Blick eher teuren Mieten (für eine schlichte Einraumwohnung  ab umgerechnet ca. 1700 Euro) bieten zwar, wie Jordan Mejias betont und ein kurzer Blick auf die Grundrisse zeigt, eine “allzu genügsame Quadratmeterzahl”. Sie folgen aber auch, was die FAZ ein wenig verschweigt, einem anderen Ansatz: Wer in die Adresse 8 Spruce Street zieht, bekommt mehr als seine vier Wände. Die Wohnmaschine mit ihren 76 Geschossen erinnert ein bisschen an eine postmodern aktualisierte und vertikalisierte Bandstadt aus dem Sozgorod-Umfeld, indem sie nicht weniger zum Ausdruck bringt, als ein Wohnen jenseits der Dingkultur.

Die Exklusivität liegt im Zugang und man denkt automatisch an Jeremy Rifkins “Age of Access-These”, wenn man sieht, dass Innenraum wenig und der Ausblick auf Stadt und Fluß das Meiste ist. Die Wohnungen sind so geschnitten, dass man in ihnen ein paar ausgewählte Designer-Möbel, vier Gemälde, zwei Flatscreens und ein iPad  bequem platzieren kann. Mehr braucht man nicht. Das Zurücktreten des Umfangs eines Objekts hinter seiner Funktion, die Reduktion auf das Wesentliche (und dabei Erlesene) wird hier in jeder Hinsicht zelebriert: Das Haus selbst ist das Entscheidende,  nicht die Habseligkeiten seiner Bewohner und auch nicht der angemietete Privatraum. Das über das Kernwohnen von Frühstücken, aufs Panorama Schauen und Schlafen hinaus gehende soziale Leben ist in dem Wohnturm in einem Komplex so genannter Amenities konzentriert. Dort hat man über drei Stockwerke Grillterasse, Begegnungssalon, Schwimmbad, Indoor-Spielplatz, Musikzimmer, Pilates und – voilà – eine Bibliothek:  “The 8th floor offers a library with a well-curated selection of books and periodicals…” (vgl. hier)

Das exklusive Ideal des Lebens im 21. Jahrhunderts entspricht also einem Daueraufenthalt in einer Art mondänen Kurhotel – mit Roomservice vom Staubwedeln über die Haustierpflege bis zu frischen Schnittblumen. Die besten Elemente aus dieser Traditionslinie werden wie selbstverständlich in dieses Sozioversum der wohlhabend Besitzlosen herübergetragen. Eine gutsortierte Büchersammlung, um die man sich nicht selber kümmern muss, ist selbstverständlicher Bestandteil dieses Lebensstils.

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