Im Geklüfft der Debatte: Die Entgegnung der Wissenschaftsorganisationen zum Heidelberger Appell ist da.

Der Vorwurf einer „Enteignung der Urheber“ entbehrt jeder Grundlage, denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bleiben nach wie vor alleinige Urheber ihrer Werke.

Zum viel diskutierten “Heidelberger Appell” gibt es mittlerweile die “Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen“. Ob sich allerdings die Heidelberger Initiatoren freuen, ihre Arbeit in die belletristischen Schublade einsortiert zu sehen, darf man gern bezweifeln:

Keinesfalls fordert die Allianz eine Open-Access-Publikation belletristischer Schriften, aus deren Verwertung Autoren ihren Lebensunterhalt beziehen.

Roland Reuß ist aber kein Bernhard Schlink, der sowohl über Polizei- und Ordnungsrecht wie über Vorleser publiziert und immerhin mindestens ein Buch mit freiem Zugang im Netz hat. Und so sehr wir uns wünschen, dass auch Sekundärliteratur zu Paul Celan und Heinrich von Kleist in einem der schönen Literatur vegleichbaren Umfang gelesen werden, bleiben sie vorerst doch auch wissenschaftliche Publikationen, von denen mancher vielleicht auch einen kleinen Lebensunterhalt bezieht. Da hätten die Wissenschaftsorganisationen in ihrer Präzision noch einen Tick präziser formulieren sollen.

5 Responses to “Im Geklüfft der Debatte: Die Entgegnung der Wissenschaftsorganisationen zum Heidelberger Appell ist da.”


  1. Die Wissenschaftsorganisationen nehmen damit Bezug auf den Text des Heidelberger Appells. Zitat:

    Autoren und Verleger lehnen alle Versuche und Praktiken ab, das für Literatur, Kunst und Wissenschaft fundamentale Urheberrecht, das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre sowie die Presse- und Publikationsfreiheit zu untergraben. Es muß auch künftig der Entscheidung von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern, kurz: allen Kreativen freigestellt bleiben, ob und wo ihre Werke veröffentlicht werden sollen.

    Reuß und seine Mitverfasser geben also hier vor, dass “alle Kreativen” in einem Boot sitzen, Wissenschaftler und Schriftsteller. Die Wissenschaftsorganisationen wenden sich gerade dagegen. Wenn Sie sich die Unterzeichner des sog. Heidelberger Appells ansehen, werden Sie feststellen, dass z.B. Daniel Kehlmann unterschrieben hat: ein Schriftsteller.

    Das ist ja gerade das perfide an Reuß’ diversen Äußerungen: er wirft alles in einen Topf, auch Belletristik und Wissenschaft.

    Also: Die Kritik der Wissenschaftsorganisationen ist präzise, meinen Sie nicht?

  2. Ja und nein – da eben nicht nur Belletristik gemeint ist. Den Daniel Kehlmann habe ich natürlich auch gesehen…

    Ich bin aber auch ein wenig befangen, da mir mal eine wissenschaftliche Autorität sagte, dass Arbeiten wie die von Luhmann bestenfalls als Belletristik zu lesen sind, was durchaus als Disqualifikation dieser Bücher für die wissenschaftliche Auseinandersetzung gemeint war. Und so vermutet man gleich wieder eine pejorative Spitze, wo vielleicht gar keine gemeint ist. Es gibt gerade auch in den Geisteswissenschaften Publikationen, die zum Lebensunterhalt der Autoren maßgeblich beitragen. Ich denke, dass man bei solchen “Buchwissenschaften” durchaus die dazugehörige Wissenschaftskultur (und die Beschäftigungsverhältnisse der Autoren) berücksichtigen muss. Hätte der ‘Heidelberger Aspekt’ hier mal nach Argumenten gesucht, statt pauschal loszuwettern, dann hätte man sogar mal in eine sinnvolle Diskussion einsteigen können. Vielleicht folgt so etwas ja noch…

    In jedem Fall hätte ich die Aussage breiter gespannt:
    “Keinesfalls fordert die Allianz eine Open-Access-Publikation solcher Schriften, aus deren Verwertung Autoren ihren Lebensunterhalt beziehen.” – wäre meines Erachtens auch passend gewesen.

  3. Der Zusammenhang ist doch: Die Förderinstitutionen wollen Einfluss nehmen auf das, was sie fördern. Reuß tut so, als wären Kehlmann oder Naumann (als Journalist) auch betroffen. Sind sie aber nicht. D.h. Reuß bringt Leute auf seine Seite, die da gar nix zu suchen haben. Nehmen Sie etwa den Begriff “Pressefreiheit”. Wie kommt der da rein? Was gefährdet jetzt noch mal die Pressefreiheit?
    Rhetorische Strategie von Reuß: Wir fordern erstmal Freiheit für alle. Dann werden die Leute schon denken, wir hätten einen Grund für die Forderung, z.B. den, dass die Freiheit aller auch tatsächlich gefährdet ist.

  4. Dass die Taktik der Heidelberger solch ein Ziel verfolgt, ist genauso offensichtlich, wie die bestürzende rhetorische Ungeschicktheit, mit der sie hantieren. Für jeden, der sich länger als zwei Minuten ernsthaft mit Open Access beschäftigt, hat sich Roland Reuß schon mit dem ersten FAZ-Artikel ins argumentative Abseits gestellt. Ich bin mir daher nicht ganz sicher, wie sehr man hier überhaupt gegenhalten muss. Aber vermutlich muss man wohl, weil die Adressaten der Lobbyarbeit aus dem Neckartal nicht immer diese zwei Minuten investieren konnten.

  1. [...] den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen gelesen hätte. Joachim Eberhardt stellt im 1. Kommentar zu Ben Kadens Beitrag im IBI-Weblog zurecht fest: Hier zeigt sich gerade das perfide an [...]

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