Sie haben Großes zu sagen: In Yale diskutierte man über die Relevanz des Mediums Buch

John Donatich, director of Yale University Press, invoked the theme—the hazy economic future of print works in an increasingly digitized publishing environment—in his keynote address, saying, “Many look forward to the day in which we can etherize books online and commit what the director of the Beinecke Library, Frank Turner, calls ‘bibliographic euthanasia.’ ”

Vor zwei Wochen luden die amerikanischen Universitätsverlage nach New Haven um die Frage “Why Books Still Matter” zu beantworten, was allerdings, glaubt man der Zusammenfassung bei Publishers Weekly, nicht sehr originell gelang. Womöglich war einfach schon die Leitfrage verkehrt gestellt. In jedem Fall bleibt der Eindruck, als würde an der Front zwischen “Rettet das Buch als Leitmedium der Zivilisation” und “Habt euch nicht so, der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten” fest Stellung bezogen, ohne dass man die Unsinnigkeit des ausgerufenen Blickwinkels auf das Thema selbst thematisiert.

So kippt die Aggregationskultur mit den erneuten Beteuerungen von Yochai Benkler und Michael Heller (“emphasizing that all forms of culture today, from music to news, involve assembling information from various sources”) weiterhin demnächst die rückständigen und den Fortgang der kulturellen Entwicklung behindernden traditionellen Geschäftsmodelle auf den Müllplatz der Wirtschaftsgeschichte. Die Freunde des Druckwerks können nichts Besseres als Gegenargument aufbieten als: “Books have something big to say.” Zweifellos haben sie das. Aber nicht alle. Und darum geht es hier auch nicht.

Große Worte allein sind nämlich noch keine sachliche Begründung, warum etwas noch immer relevant ist. Und das Umsatteln von weichen auf harte Wissenschaften, wie es der Princeton-Vertreter Peter Dougherty als Rettungsszenario für die Universitätsverlage andeutet, verkennt in eigenartiger Weise, dass gerade die STM-Fächer dem Schneckenmedium Buch bereits etwas länger, etwa seit den Philosophical Transactions, herzlich wenig abgewinnen können und lieber andere Kommunikationswege benützen.

Auch dass sich die Simultanpublikation von elektronisch in Open Access und gedruckt im Buchhandel rechnen kann, ist keine ganz neue Erkenntnis, wird aber sicher zurecht noch einmal betont. Hierbei zahlt der Käufer tatsächlich für Materialität und nicht für den bloßen Zugang zum Inhalt. Der Bedarf ist augenscheinlich da (“we sold 4,000 to 6,000 copies of the print edition“) und das Scheuklappern der Verleger, das auf der verrückten Knausrigkeitsvermutung, der Leser lese lieber ein billiges PDF als den handlichen Band z.B. im Lesesaal der Universitätsbibliothek, aufbaut, erweist sich erwartungsgemäß als Zeichen für eine schwer begründbare aber doch deutlich sichtbare Nervösität und zeigt nebenher, wie wenig die Vertreter des in ihren Augen überlegenen Mediums ihrer Zielgruppe so zutrauen.

Eigentlich will man als Wissenschaftler im Wissenschaftsalltag ja beides: das Buch zum konzentrierten Deep Reading, zum Unterstreichen, Lesezeichen einkleben und Eselsohren knicken und das PDF um gezielt zu suchen, ob man nicht eine entscheidende Textstelle übersehen hat und nicht zuletzt zum Herauskopieren der Zitate.

Bei sehr spezifischen Themen bietet die Print-on-Demand-Technik tatsächlich sogar die Option, Texte, die man sonst nie gedruckt und gebunden kaufen könnte, plötzlich in ganz klassischer Druckform anzubieten. Die potentielle Rolle des Buches als Medium ist somit, richtig gehandhabt, größer denn je. Nur haben die Vorstellungen davon, wie man mit dem Buch Geld verdienen kann, aktuell den Fehler, etwas fantasiearm zu sein, weswegen man sich mit den hinderlichen “Entweder-Oder”-Scharmützeln konfrontiert sehen muss.

Wenn man sich einmal von der Zuspitzung in der Frage nach der Zukunftstauglichkeit ablöste und vielleicht darüber sinnierte, wie die gegenwärtigen verfügbaren und allesamt validen medialen Formen in eine sinnvolle Wechselbeziehung gesetzt werden könnten, entstände möglicherweise als Fazit etwas Substantielleres als ein fröhliches Wortspiel wie dieses:

“Dougherty concluded with the hope that the panel question “whither the university press” wouldn’t become “wither the university press.””

Die Diskussion zum Thema, sofern Publishers Weekly die Diskussion realitätsnah referiert, wirkt in der Tat über weite Strecken etwas verwelkt.

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