Protest für Bibliotheken XX: Bibliothek teilweise gerettet

Die Kurt-Tucholsky Bibliothek in Berlin-Pankow wird zu einer ehrenamtlich betriebenen Bibliothek werden, welche vom Verein Pro Kiez personell, vom Bezirk Pankow größtenteils finanziell und ideell getragen wird und für zahlreiche bibliothekarische Aufgaben – wie die Einarbeitung und Katalogisierung, das zentrale Mahnwesen und die Öffentlichkeitsarbeit – auf das bezirkliche Bibliotheksnetz zurückgreifen können soll. Dafür verbleibt die Bibliothek im Verbundssystem des VÖBB. So ein Ergebnis der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Pankow am gestrigen Mittwoch, den 12.03.2008. Der vom Ausschuss für Kultur und Bildung eingebrachte Antrag zur Wiedereröffnung der Bibliothek wurde einstimmig, mit einer Enthaltung, angenommen.
Mit diese Entscheidung wird voraussichtlich im April die Besetzung der Bibliothek durch den jetzigen Verein Pro Kiez e.V. beendet. Diese war im November 2007 mit dem Ziel begonnen worden, die Existenz der Bibliothek zu sichern und vor allem den Abtransport der Bestände zu verhindern.

Grundlegende Übereinstimmung
Die Aussprache über den Antrag wurde von der Vorsitzenden des beantragenden Ausschusses, Clara West (SPD), begonnen. Sie wies darauf hin, dass die Arbeit des Ausschusses über alle Fraktionen und Gruppen der BVV hinweg von einem sonst selten zu erreichenden Konsens getragen worden sei. Offensichtlich – und dies wurde im Weiteren auch von allen anderen Rednerinnen und Rednern betont – waren in Pankow alle Verordneten der Meinung, dass der Weiterbetrieb der Bibliothek notwendig sei und die Schließung im Dezember 2007 einzig auf die Sparvorgaben des Senates und die Haushaltslage des Bezirkes zurückgeführt werden müssten.
Zudem betonte die Ausschussvorsitzende, dass eine ebenso große Kooperationsbereitschaft bei der Verwaltung des Bezirkes und dem Verein Pro Kiez e.V. gegeben gewesen sei.

Bezirksstadtrat: Forderungen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen
Bezirksstadtrat Dr. Nelken (Linkspartei) interpretierte die Proteste für die Kurt-Tucholsky Bibliothek und den offenbar in der Bevölkerung vorhandenen Willen, sich ehrenamtlich für diese Bibliothek einzusetzen, als Aufforderung an die Politik. Er betonte, dass sich dieses Modell nicht als allgemeine Lösung für den Betrieb von Bibliotheken durchsetzen dürfe. Das Ehrenamt in dieser Form sehe er als Übergangslösung.
Die Proteste hätten gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger ein funktionierendes Bibliothekssystem auf lokaler Ebene forderten und das sie es als Aufgabe der Politik ansehen würden, ein solches System zur Verfügung zu stellen. Die Vorgänge seien eine Mahnung an die Politik, dass die Bevölkerung ein Bibliothekssystem fordert, ein Zeichen, dass sich in der Politik und Verwaltung im Bezug auf Bibliotheken etwas ändern müsse. Der weitere Abbau bibliothekarischer Leistung würde offenbar von der Bevölkerung so nicht hingenommen werden. Er hoffe, dass diese Forderung bei allen Fraktionen im Berliner Senat angekommen sei.

Hoffnung, die Bibliothek wieder integrieren zu können
Der Vorsitzende der bezirklichen Linksfraktion, Michael van der Meer, schloss sich seinem Parteikollegen an und betonte, dass er hoffe, dass die Bibliothek möglichst bald wieder mit bibliothekarischen Personal, welches im bezirklichen Dienst stehen solle, ausgestattet werden könne.
Die Verordnete Cornelia Schwerin (Bündnis 90 / Die Grünen) sprach für ihre Fraktion und in diesem Fall auch für die Fraktion der CDU, allen Beteiligten einen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss aus. Gleichzeitig hob sie hervor, dass die jetzt gefundene Lösung nur durch den konsequenten, fordernden und großen Einsatz des Vereins möglich geworden sei. Vor allem dessen konsequenter Arbeit sei die Wiedereröffnung der Bibliothek zu verdanken.
Die Fraktion der Grauen, die Gruppe der FPD und die fraktionslosen Verordneten äußerten sich nicht weiter zu diesem Antrag.

Pro Kiez: Plädoyer für die öffentliche Finanzierung aller Bibliotheken
Im letzten Beitrag vor der Abstimmung stellte eine Vertreterin des Vereins Pro Kiez e.V. noch einmal die Entwicklungen um die Kurt-Tucholsky Bibliothek und das Konzept des Vereins vor. Die Bibliothek solle mit reduziertem Bestand und unter der Maßgabe des Verbleibs im VÖBB als Familienbibliothek weiter existieren. Einen Schwerpunkt setzen möchte der Verein auf die Leseförderung in Zusammenarbeit mit den im Kiez zahlreich vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, sowie die kulturelle Arbeit, welche die Besetzung der Bibliothek von Anfang begleitet hat.
Sehr explizit führte die Vertreterin im Namen des Vereins aus, dass sich dieser bewusst sei, dass der Betrieb der Bibliothek durch Ehrenamtlichen kein Ersatz für professionelle Bibliotheksarbeit sein könne. Insbesondere betonte sie, dass der Verein kein Modell für die Schließung weiterer Bibliotheken darstellen wolle. Vielmehr setze er sich gerade wegen der Beschäftigung mit der Situation der Öffentlichen Bibliotheken, die er in den letzten Monaten zu leisten hatte, ausdrücklich für eine ausreichende öffentliche Finanzierung aller Bibliothek ein.

Eröffnung demnächst
Terminiert wurde die Wiedereröffnung der Bibliothek bislang auf den 01.04.2008. Auch wenn dieser Termin eventuell nicht eingehalten werden kann, stehen nun für den Verein zuvörderst die durch die Reduzierung der Bibliothek von zwei auf eine Etage notwendigen Makulatur- und Umzugsarbeiten an.

PS.: Der Beschluss, inklusive der Auflistung der Aufgaben der einzelnen Beteiligten und der Kosten, findet sich in der Drucksache des Bzirksamtes Pankow von Berlin VI-0395. Diese lässt sich nicht verlinken, aber unter folgende Pfad finden -> Bezirksverordnetenversammlung von Pankow -> Sitzungskalender -> 12.03.2008: 14. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin -> Tagesordnungspunkt Ö 1.11

1 Response to “Protest für Bibliotheken XX: Bibliothek teilweise gerettet”


  1. 1Präkarier

    Tja, billiger gehts immer: Studentische Hilfskräfte, Praktikanten, Ehrenamtliche…vielleicht darf man das Privileg, arbeiten zu dürfen, dann bald bezahlen?
    Ich frage mich allerdings bei diesem System, womit die Stadtväter dann ihre leeren Kassen füllen wollen: auf Lohnsteuer und Mehrwertsteuer werden sie dann ja wohl verzichten müssen. Aber man hat ja dort sicher berechnet, dass ein paar arbeitslose Bibliothekare und weitaus mehr bildungsvernachlässigte Kinder und Jugendliche günstiger kommen…Wie war das gleich mit dem “öffentlich geförderten Beschäftigungssektor”? Da kann man nur noch drüber lachen, wenn’s im Ergebnis nicht so traurig wäre.

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