Fertige Wahlbausteine schon bei ver.di

Bibliothek & Information Deutschland (BID) hat gestern eine Meldung veröffentlicht, nach der an sechs von sieben im Bundestag vertretenen Parteien Wahlprüfsteine verschickt wurden. Wahlprüfsteine sind ja bekanntlich eine verbreitete Methode, mit der Organisationen versuchen in den Wahlkampf und auch die anschließende Politik einzugreifen. Es werden an Parteien Fragen gestellt, welche die jeweils von der fragenden Organisation bearbeiteten Themenfelder betreffen. Die Parteien sollen dann – bitte – ihre Positionen zu diesen Themen darlegen. Suggeriert wird einerseits, dass so von den Parteien ein an den Themen der Organisationen interessiertes Publikum angesprochen werden kann, andererseits wollen die Organisationen aber auch mit ihren Themen gehört werden. Das ist ja alles erstmal verständlich. Gleichzeitig scheint die tatsächliche Effektivität solcher Wahlprüfsteine beschränkt, schon weil einfach sehr sehr sehr viele Organisationen zu dieser Methode greifen.

Somit kann es auch vorkommen, dass die Parteien bei der Beantwortung der Wahlprüfsteine einer Organisation die Wahlprüfsteine einer anderen Organisation mit beantworten. So scheint das mit den Wahlprüfsteinen von BID passiert zu sein. Ver.di, die als Organisation ja immerhin mit weit mehr potentiellen Stimmen von Wählerinnen und Wählern wuchten können als der BID, hat ihre Wahlprüfsteine schon längst beantwortet zurückbekommen. Der Teil der Wahlprüfsteine, welcher sich auf den Bildungsbereich bezieht – wozu bei ver.di halt auch alle Bibliotheken, Archive und Dokumentationseinrichtungen gezählt werden – ist in der aktuellen Ausgabe des biwifo-Reports (2/2009, Seite 5-8) veröffentlicht.

Wie der BID hat auch ver.di den Fehler begangen, sich auf die sechs “bekannten” Parteien zu beschränken, was dem mündigen Wähler bzw. der mündigen Bürgerin gegenüber ziemlich unverschämt ist, welche sich ja zwischen weit mehr Parteien und Wahllisten entscheiden sollen und nicht nur zwischen den Etablierten.

(Das wurde auf der inetbib-Liste für die Wahlprüfsteine des BID ja auch schon richtig kritisiert, wo insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass die Piratenpartei keine Spasspartei ist, sondern eine, die mit ihrem Themenspektrum Bibliothekarinnen und Bibliothekare interessieren müsste. Aber auch andere Parteien nicht zu fragen, scheint nicht wirklich demokratisch, solange man nicht zumindest begründet, warum man die nicht fragt. Das wäre ja bei Rechtsextremen wie der NPD, DVU und Republikanern oder religiös und esoterisch fundamentalistischen Gruppen wie den Violetten, PBC, AUF, Zentrum [der heutigen Partei Zentrum, nicht deren historische Vorgänger] und CM leicht möglich.)

Aber immerhin war hier die Gewerkschaft tatsächlich mal schneller, als der bibliothekarische Verband. Deswegen vielleicht zur ersten Orientierung die Ergebnisse, welche den Bibliotheks-/Archiv-/Dokumentationsbereich betreffen:

  • Die vorangestellten Forderung von ver.di: Bibliotheksrahmengesetz des Bundes, das Mindestanforderungen an die Ausstattung mit Bibliotheken, deren Standards und Finanzierung festschreibt. Bundeseinheitliche Berufsausbildung und Weiterqualifizierungen des Bibliothekspersonals, die den Ansprüchen einer Informationsgesellschaft Rechnung tragen.
  • Bündnis 90 / Die Grünen: Die Länder sollten sich in einem Staatsvertrag über Mindestanforderungen für Bibliotheken einigen. Dem Bund fehlt es an der nötigen Kompetenz, und die große Koalition wird diese in der Föderalismusreform II nicht schaffen. Wir befürworten eine moderne und anschlussfähige Aus- und Weiterbildung im Bibliotheksbereich, deren Qualität durch bundeseinheitliche Standards gesichert wird.
  • CDU / CSU: In Deutschland steht die Gesetzgebungskompetenz für Bibliotheksgesetze grundsätzlich den Bundesländern zu. Auf die Kategorie der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes wurde 2006 verzichtet.
  • Die Linke: DIE LINKE fordert ein bundesweit geltendes Gesetz, das den Unterhalt öffentlicher Bibliotheken zur Pflichtaufgabe erklärt und Anforderungen an die Ausstattung mit Bibliotheken, deren Standards und Finanzierung festschreibt.
  • FDP: Die Länder sollen Bibliotheksgesetze erlassen. Deren Betrieb muss ab einer gewissen Größenordnung der Gemeinden zur Pflichtaufgabe werden. Verfassungsrechtlich problematisch und ordnungspolitisch fragwürdig ist, die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Länder und Kommunen durch Bundesgesetz zu begrenzen.
  • SPD: Die SPD setzt sich dafür ein, über Bibliotheksgesetze der Länder öffentliche Bibliotheken zur Pflichtaufgabe zu erklären und Mindestqualitätstandards zu definieren. Eine Bibliotheksentwicklungsagentur sollte die Bibliotheken unterstützen. Die SPD unterstützt die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Berufsausbildung und Weiterqualifizierung von Beschäftigten in Bibliotheken.

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