Das Ende des Datenträgers: Nach Blu-ray kommt nur das Netz.

Integrating the Internet may be a matter of survival for Blu-ray, because the Internet is shaping up to be its biggest rival. More services are popping up that let people download high-definition movies and shows directly to their televisions and home computers.

Bei der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas schwingt anscheinend zwischen den Messeständen verstärkt die Frage durch den Raum, inwieweit physische Datenträger (und auch Speichermedien) gleich welcher Art überhaupt zukünftig noch eine Rolle spielen. (vgl. New York Times)
Ein allgegenwärtiges Datennetz, in dem sämtliche Inhalte bedarfsnah on demand und just in time auf entsprechende Empfangsgeräte übertragen werden können, ermöglicht den Nutzern immerhin maximale Flexibilität und den Anbietern maximale Kontrolle.

Insofern erscheint es fast so, als bliebe jeder Form von Bücher-, CD- oder DVD-Regal als Kernfunktion nur noch das raumgestalterische Element. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir die ganze Diskussion um E-Books und Medieninhalte und auch Medienproduktion bislang gar nicht radikal genug gedacht haben. Dass es demnächst Digitalkameras geben wird, die die Fotos direkt mit GPS-Daten versehen zu Picasa oder Flickr schicken und nur noch einen internen Zwischenspeicher mitbringen, ist vermutlich keine besonders avantgardistische Fantasterei. Spannender ist dagegen die Frage, ob man in Zukunft überhaupt noch anders fotografieren kann.

Insofern könnten Überlegungen, wie E-Books oder auch Musikstücke zwischen Lesegerät, Server und womöglich lokalem Rechner gespeichert und synchronisiert werden, mehr oder weniger ins Irre laufen. Man trägt nicht mehr 1000 Bücher auf dem Reader durch die Welt, sondern immer alle, die überhaupt verfügbar sind bzw. nur das Lesegerät, welches sich je nach Stimmung über einen Server den gewünschten Titel temporär zieht. Und auch hier: Welche Alternativen der Medienrezeption lässt ein volldigitalisierter Medienmarkt auf Abruf noch zu?

Für Bibliotheken ist solch ein allumfassendes e-only-Szenario besonders einschneidend, da sie in diesem tatsächlich bestenfalls zugangsverwaltend tätig werden. Ihre Aufgabe als Ort kann es dann sein, gemütliche Räumlichkeiten anzubieten, in denen über entsprechende Endgeräte der Zugang zu bestimmten Inhalten subventioniert möglich ist, da die Bibliothek Lizenzen dazu hält. Lokale Medien und damit große Teile des klassischen Geschäftsganges spielen keinerlei Rolle mehr. Der Frage der Medienform wird endgültig eine nach dem Dateiformat, der Leihverkehr auf ein Onleihe-System reduziert, wobei der Hardware nur noch eine Terminalfunktion zukommt, und diese daher entsprechend schlicht und robust gestaltet werden kann, so dass man E-Books dann auch entgegen der Urangst vieler P-Buch-Freunde prima am Strand und vielleicht sogar unter Wasser lesen kann.

Keine dieser Überlegungen ist neu, aber da zunehmend deutlicher wird, wohin der Medienhase läuft, böte es sich an, mögliche Folgen von der Kontrollierbarkeit von Zugängen, der Protokollierbarkeit des individuellen Medienverhaltens bis hin zu den spezifischen Veränderungen bei der Produktion von Inhalten noch intensiver als bisher zu beleuchten.

Die mediale Ubiquität, so scheint es, führt zu einer permanenten Wechselwirkung von physischem und virtuellem Agieren. Bereits jetzt leben wir in einer dreigeteilten und intensiv wechselwirkenden Umwelt: neben der klassischen Korrelation von physischer und psychischer Wahrnehmung gesellt sich ein rein virtueller Handlungs- und irgendwie auch Lebensraum. Letzterer war jedoch bislang – vielleicht bis zur Entwicklung einer massenverfügbaren Mobilfunktechnologie – an lokalisierte Zugangspunkte gebunden und galt daher mehr als erweiternde Möglichkeit, denn als substantielles Element.
Der Pfeil der Entwicklung weist jedoch in Richtung einer permanenter Interaktionsmöglichkeit und damit vermutlich – Beispiel Mobiltelefonie – impliziten Nutzungsverpflichtung, bei der die Empfangsgeräte in einer Ausprägung elementar für ein soziales Leben sein werden, dass sie quasi Teil unser Physis und also in Anlehnung an McLuhan unverzichtbare technische Prothesen zur Weltwahrnehmung sein werden. Die virtuelle Zukunft besteht sicher nicht aus grobschlächtigen Avatare in Second Life, sondern aus virtuellen Repräsentationen unserer tatsächlichen Identität, die in andauernder Wechselwirkung mit der Körperlichkeit und Psyche stehen. Wer seinen Zugang zum Netz abschaltet, trennt einen substantiellen Teil seiner selbst von sich ab. Wohlgemerkt: Von sich, nicht vom virtuellen Netz an sich, denn dort bleibt man präsent und in gewisser Weise ansprechbar. Facebook registriert die an mich eingehenden Freundschaftsavancen, Nachrichten und dass ich auf Fotos ausgetaggt werde, auch ohne, dass ich eingeloggt bin. Automatische Erschließungsprozesse, die mit dem Semantic Web Bestandteil des virtuellen Informationsalltags werden, warten nicht auf Rückkopplung meinerseits, sondern verknüpfen mich, bzw. mein Repräsentationen im Web je nach informationellem Anliegen irgendeines Akteurs im Netzwerk.

Wünschenswert wäre es, wenn, dessen angesichtig, in irgendeiner Form und besonders natürlich in unserem Fach, eine Diskussion mit interdisziplinären Anschlussmöglichkeiten entwickeln ließe, die neben den Projekten zur technischen Realiserbarkeit und Realisierung derartiger Vorstellungen, die Frage in den Mittelpunkt rückt, inwiefern eine derartige Totalität der Digitalität mit bisher üblichen Lebensentwürfen und Vorstellungen von Gesellschaft, die den digital lifestyle nur bedingt berücksichtigen, so integrierbar sind, dass man die Reibungsverluste im Rahmen hält. Also inwieweit die digitale Medienwelt mit ihrem Präzisionsparadigma und Messbarkeit und Eindeutigkeit des Zeichens als Grundkonstanten mit den dem Menschen und seinem Handeln typischen Unschärfen und Abweichungen und daraus resultierenden Eigenheiten koordinierbar ist. Der Mensch ist per se einzigartig, inkommensurabel und begrenzt. Netzdigitalität, die auf dem Prinzip der reibungslosen Kopie beruht, Datengröße, -durchsatz und Zahl der Aufrufe exakt erfasst und sich jenseits spürbarer Materialität unbegrenzt ausdehnt, berücksichtigt dies bisher interessanterweise vorwiegend dadurch, dass sie diese menschlichen Eigenschaften zu simulieren versucht und scheitert besonders deutlich gerade auf dem Gebiet des Originals (Stichwort: Urheberrecht).

Auch diese Gedanken sind weißgott nicht neu und vielleicht gibt es auch schon die passenden Antworten. In der Bibliothekswissenschaft sind sie bisher jedoch kaum zu entdecken und daher scheint es mir durchaus legitim, in der Frühphase eines Jahres wie diesem, durchaus einmal auszuformulieren, was uns sicher das Jahr über intensiv beschäftigen sollte und hoffentlich wird. Wie immer sind Kommentare hochwillkommen.

3 Responses to “Das Ende des Datenträgers: Nach Blu-ray kommt nur das Netz.”


  1. HD DVD ist besser als Blu Ray, denke ich. Microsoft gewinnt immer den Kampf, vergesst ihr das nicht!

  2. Das ist ein sehr interessant Artikel, aber ich glaube das vorher sich noch Flashdrives durchsetzen werden bevor das Netz die Oberhand bekommt.

    mfg

    Alpha

  3. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es genau in diese Richtung gehen wird. Aber was bedeutet das für die Zugänglichkeit all dieser Inhalte, die nur mehr über dazu benötigte ‘Endgeräte’ erschlossen werden können? Das Faszinierende am Buch ist ja, dass Software und Hardware, Inhalt und Speichermedium unauflösbar miteinander verbunden sind. Wer in der hier geschilderten Zukunft eines von beiden hat, hat noch lange nicht das andere und wer nicht beides hat, hat gar nichts.
    (P.S.: Ich weiss schon, dass mein Gebrauch des Terminus Software in diesem Zusammenhang nicht ganz korrekt ist, aber ich glaube, es macht trotzdem Sinn.)

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