IBI-Weblog » Informationsverhalten http://weblog.ib.hu-berlin.de Weblog am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Wed, 28 Jun 2017 08:24:09 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.0.4 Ach Duschanbe! Jimmy Wales zwischen den Stunden in der Bücherei und dem Backup seines Lebens http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6646/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6646/index.html#comments Wed, 04 Mar 2009 10:36:43 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6646 Wenn früher die Zeitungen über Tadschikistan berichtet haben – ich nenne das Land, weil ich darüber so gut wie gar nichts weiß -, dann musste man in die Bücherei gehen, um sich weitergehend mit diesem Staat beschäftigen zu können. Und wer hatte schon vor 40 Jahren die Zeit, zur Bücherei zu gehen, um sich dort [...]]]>

Wenn früher die Zeitungen über Tadschikistan berichtet haben – ich nenne das Land, weil ich darüber so gut wie gar nichts weiß -, dann musste man in die Bücherei gehen, um sich weitergehend mit diesem Staat beschäftigen zu können. Und wer hatte schon vor 40 Jahren die Zeit, zur Bücherei zu gehen, um sich dort ein Buch auszuleihen, in dem man dann stundenlang lesen musste. Heute geht das wesentlich schneller mit Wikipedia, Blogs und anderen neuen Foren.

Jimmy Wales verteigt das Internet in einem Interview im Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Argument der Geschwindigkeit gegen den Vorwurf, es mache die Menschen oberflächlicher. Die “Bücherei” erscheint dabei durchaus als eine Art elitäre Institution für all die, die nichts Besseres zu tun haben, was gut zu dem Demokratisierungsparadigma, das die Vertreter der Web2.0-Medien gern vermitteln, passt. In gewisser Weise übersehen sie dabei, dass es durchaus möglich, sich die Rezeptionszeit und die Rezeptionspraxis anders organisieren. Zum Beispiel auch jenseits des Internets.

In seiner Antwort auf den Einwand, im Internet bekäme man “oft nur eine grobe Zusammenfassung mit den wichtigsten Daten und Fakten“, entkräftet Wales das Argument des Tempos selbst wieder, denn er formuliert als Voraussetzung für das Einordnen in einen Zusammenhang:

“Wenn man sich im Netz auskennt, findet man das, was man sucht.”

Offen bleibt, was er unter “auskennen” versteht. In der Regel basiert solch ein “Auskennen” auf einer gehörigen Portion dessen, was man als Informationskompetenz bezeichnet. Und die wiederum setzt stundenlange und vor allem in Hinblick auf die Dynamik des Mediums permanente Beschäftigung voraus.  Das Beispiel Tadschikistan ist ein relativ schlechtes, der entsprechende Wikipedia-Artikel selbst im Vergleich zum Fischer Weltalmanach eher schwach entwickelt daherkommt. Er gewinnt einzig durch die Hyperlink-Anbindung an externe Quellen. Da entdeckt man dann auch einen Hinweis auf Shirin Akiners Buch Tajikistan: Disintegration or Reconciliation? Wer aber soviel über das Land wissen möchte, muss wohl oder übel stundenlang lesen – selbst wenn er denn Volltext im WWW entdeckt.
Was also Wales übersieht, ist, dass die Kenntnis der Zusammenhänge prinzipiell stundenlanges Lesen (bzw. teilweise auch  Zuschauen oder Zuhören) erfordert. Abgesehen davon, dass es sowohl vor 40 Jahren wie auch – nach eigener Beobachtung – heute Menschen gab und gibt, die diese Zeit haben, stundenlang, manchmal tagelang ein Buch zu lesen, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns die Zeit zu nehmen, sofern wir Zusammenhänge verstehen wollen. Ob Bildschirm oder Büchereibuch spielt da keine Rolle.

Dass wir viel mehr wissen können, weil die Wege zu den Texten kürzer werden, ist m.E. ein Mythos. Denn der Weg zwischen Text und Verstehen verändert sich auch durch Glasfaserverkabelung nicht. Allerdings bürstet uns die Transformation zum digitalen Kommunikator ein anderes, oft mehr als Stunden fressendes Problem auf:

Wann waren Sie zuletzt mal einen ganzen Tag offline?

WALES: Das war vor ein paar Monaten in China, nachdem mir der Computer gestohlen worden war. Ich war ein paar Tage in dem Land, in der Zeit war ich offline. Keine einfache Zeit für mich, ich konnte keine Emails schreiben, hatte keinen Zugriff auf meinen Kalender. Als ich zu Hause war, hat es Wochen gedauert, um mein Leben mit Back-ups zu rekonstruieren.

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Informationsvergesellschaftung und die Rolle der Bibliotheken http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6393/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6393/index.html#comments Fri, 12 Dec 2008 16:59:20 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6393 Libraries will continue to play many of the roles they have always played: circulation of materials in all formats; a place to learn how to find and use information; a “community center” for socialization, programs and exhibitions; and a place to get special services around English as a second language, job preparation skills, etc. Crucially, [...]]]>

Libraries will continue to play many of the roles they have always played: circulation of materials in all formats; a place to learn how to find and use information; a “community center” for socialization, programs and exhibitions; and a place to get special services around English as a second language, job preparation skills, etc. Crucially, it will still be the only place for many people in the city where they will have free access to the Internet and skilled support to navigate it — in a world where more and more of their basic needs will be met through online services and facilities.

Die Leser der New York Times befragten Paul LeClerc erfreulich rege über alle möglichen, die New York Public Library betreffenden Aspekte und mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Antworten nachzulesen. Die oben zitierte bezieht sich auf die allgemein brodelnde Frage, wie sich die öffentliche Bibliothek innerhalb einer vom Internet dominierten Informationumwelt positioniert. Für Paul LeClerc – und nicht nur für ihn – ist der Aspekt des Zugangs zu Information offensichtlich nur eine Facette der Aufgaben einer zeitgemäß arbeitenden Einrichtung dieser Art.
Mindestens ergänzend relevant ist nämlich die der Vermittlung von Kompetenz mit dem Kanal “Internet” , der Informationsgesellschaft als Lebenspraxis und allem, was samt und sonders damit zusammenhängt.
Die Bibliothek wird also eindeutig nicht nur als Anlaufpunkt zum Abholen von Information verstanden, sondern als Bestandteil der Stadtgemeinschaft (community).

Denn sie vermittelt bei Bedarf und im Ideal was notwendig ist, um Information zur Not selbstbestimmt zusammen zu tragen, zu interpretieren und gegebenenfalls in neuen Kontexten sogar wieder zu publizieren. Die prosumierenden Autodidakten aus der Generation der Digital Natives mögen vielleicht meinen (oder man nimmt an, dass sie es meinen), ihne müsse derartige Unterstützung nicht gelten und haben mitunter damit sogar recht. Aber oft bleibt selbst eine eifrige Aktivität in Facebook und über Twitter letztlich trotzt aller Vielfalt der Kommunikationsmöglichkeiten eine Begrenzung der medialen Rezeptions-, Informations- und Ausdrucksmöglichkeiten. Und dass die Generation 2.0 derart gewieft und von Natur aus informationskompetent gestrickt ist, dass sie von Irritationen verschont bleibt bzw. jede Antwort im virtuellen Kommunikations-Universum entdeckt, ist angesichts der Komplexität und Dynamik der Zusammenhänge, um die es hier geht, unwahrscheinlich.

Wenn die Bibliothek geschickt ist, zeigt sie sich gerade an dieser Ecke des digitalen Alltags als kompetenter Anlaufpunkt. Zudem lässt sich ohne viel Aufheben auch eine andersherum wirkende Palette von möglichen Bezügen herstellen, sofern die Vertreter dieser “mobil und digital” geprägten Kohorten noch eine Beziehung zu der Stadtgemeinschaft halten möchten, in der sie trotz allem ab und an interagieren. Die Stadtbibliothek könnte in dieser Beziehung den Schnittpunkt zwischen der virtuellen und der realen Gemeinde markieren.

Die Bibliothek erweist sich demnach, etwas abstrahiert, potentiell als ein sehr spezifischer, im besten Fall öffentlicher (auch im politischen Sinn) und in der Grundintention eben nicht auf ein rein erlösorientiertes Geschäftsmodell ausgerichteter Erfahrungsraum sowie Ort der Identifikation und damit als ein allgemein nutzbarer und stabiler Rahmen für eine Orientierung in der Wahrnehmung und Deutung der Lebenswelt. Manchmal auch nur schlicht als einzige Zugangsmöglichkeit zu bestimmten Informationen.

Der Regelkreis von Wahrnehmung, Verarbeitung und Äußerung ist in einer hypertextuell geprägten Umwelt explizierter denn je und wenn die Web2.0-Bewegung eine Wirkung in Bibliotheken hat, dann ist es die Erkenntnis, dass sich die Institution Bibliothek mit pluralen und spontaneren kodifizierten Aussagen z. B. auch direkt aus den Notebooks ihrer konkreten Nutzer konfrontiert sieht. Funktional ergeben sich hieraus neue Anforderungen.

In den großen Bereich der Vermittlung von so genannter Informationskompetenz fällt nämlich neben der Absicherung des Zugreifens, Lesens und der Einordnung von Information die einsehbare und verschriftlichte Abbildung eben dieser Prozesse bzw. das Einspeisen von vielen neuen und nicht im Ordnungsraster der Quellenkunde des letzten Jahrhunderts tradierten Stimmen in die digitale Kommunikationssphäre, die in realweltlichen Zusammenhängen vermutlich niemals in dieser Form verschriftlicht sichtbar geworden wären.

Solches betrifft bei weitem nicht nur die Weblogs und Twitter-Feeds, sondern wird obendrein gleichfalls in einer Vielzahl von ausdrücklich aus der Subjektperspektive geschriebenen Verlagsprodukten sichtbar. Blogsprache dringt in die Tageszeitung genauso wie in die Erfahrungsbücher im Bestsellerregal der Buchhandlungen, wobei sich die erstere Form von der letzteren oft nur durch eine zusätzliche Aufbereitung auf einen konkreten Markt hin unterscheiden.

Die mediale Form ist – und war es eigentlich noch nie – kein Indikator für Relevanz und Qualität des Inhalts. Die Polyphonie der Textsorten und ihrer Vermischung wirbelt jedoch die Sphäre der verfügbaren Information kräftig durcheinander. Die Bibliothek wird und sollte sicher nicht den Anspruch eines allgemein gültigen Setzbeckens erheben. Ein Verständnis der Strukturen und Relationen der medialen Bedingungen sollte sie aber zu leisten versuchen, wobei die Aufgabe unserer Wissenschaft im Verbund mit anderen Informations-, Kultur- und Medienwissenschaften nicht zuletzt die ist, der Praxis in diesem Zusammenhang kompetent zuzuarbeiten. Manchmal wären schon Systematisierung und Synthese der Debatten ein hilfreicher Schritt.

Momentan gilt es nämlich ganz offensichtlich für die institutionell auf Sammlung, Erschließung und Vermittlung von (publizierten) Informationen zunächst einmal zu klären, wo “publiziert” seine Grenze findet bzw. wie sie sich generell zu den sogenannten Netzpublikationen positionieren. Dem Angebot professioneller Informationsdienstleistungen inklusive der Vermittlung von Nutzungskompetenzen geht eine solche Positionierung dringend voraus.

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