Bücherschrank Flavour: Bushido und die Library Revoluzzers auf der Buchmesse.

Der eigentliche Star der diesjährigen Frankfurter Buchmesse war nicht das E-Book, denn dafür war es viel zu wenig präsent und zwar besonders in der Aufmerksamkeit des Publikums. Der König der Kinder- und Jugendherzen war, wenn man die Häufigkeit der Nachfragen an der LIS-Corner in der Halle 4.2 zum Maßstab nimmt, eindeutig der gebürtige Bonner und seitdem Berliner Rapper Bushido.

Vom Selbstbewusstsein her betrachtet deckt er sich mit dem Starautoren aus dem Bereich “Sachbuch”, der dem “Weg des Kriegers” seinen Bohlenweg in den Weg stellt. Auf- und Er- und Abklärer Dieter Bohlen (“Deutschland soll nicht verdummen. Deshalb sein Buch.” – BILD) vergleicht den aufstrebenden Stern aus der Biografieabteilung vorsichtshalber mal im direkten Freewrite-Battle der Sachbuchbestsellerschreiber mit Nino De Angelo, der mittlerweile finanziell jenseits von Eden sein soll und deshalb schwang im Vergleich auch gleich eine Warnung an Bushido (“Gibt an mit seinem Stundenlohn von 80 000 Euro.” – Tagesspiegel) mit: Auch Krösus sein will gelernt sein. Von Bushido wird eine gehaltvolle Replik überliefert: “Erlebt Dieter Bohlen gerade seinen zweiten Penis-Bruch oder was?” (vgl. 20minuten). Soviel zum Thema EURO-Vision.

Anspruchsvolle Literaturfreunde spenglern, sofern sie die Debatte überhaupt zur Kenntnis nehmen, angesichts der aktuellen SPIEGEL-Bestsellerliste gern im Reflex den Untergang des Bücherlandes herbei, aber das sind natürlich die üblichen Unkenrufe, die offensichtlich notwendig sind, wenn man sich seiner selbst versichern möchte. Wo bleibt eigentlich der Reich-Ranicki für das Unterhaltungssachbuch?
Wer von Bushidos Verlagshaus riva Verlag (auch bekannt für Titel wie “Wer f… will, muss freundlich sein.” und “Lebensfreude nach dem Herzinfarkt”) erwartet, dass es zum Drucken von Literatur und nicht zum Drucken von Geld ins Leben gerufen wurde, befindet sich nun wirklich in der völlig falschen Sparte.

Sowohl Bohlen wie auch Bushido (bzw. Bohlshido) werden aber für Zielgruppen auf den Markt geworfen, die man in Buchhändlerkreisen offenbar als das “Non-Reader-Segment” bezeichnet (vgl. FAZ). Und da die Einstiegsschwelle in das Material ähnlich niedrig liegt wie die Halbwertszeit der Relevanz, könnte, so die Hoffnung, vielleicht sogar der eine oder andere junge Bushido-Fan bei diesem Erstkontakt mit dem Medium Buch entdecken, dass die Tätigkeit des Lesens auch ganz cool sein kann, zumal so mitreißender und etwas verruchter Geschichten aus dem Berliner Untergrund. Vierhundert Seiten wollen erstmal bezwungen sein.
Als konkretes Vorbild ist Bushido zweifellos denkbar ungeeignet, aber einerseits gibt es, wie man so hört, in einer postmodernen Kindheit gar keine eindeutigen Vorbilder mehr und andererseits ist auch kaum anzunehmen, dass ihn die Zielgruppe tatsächlich ähnlich so ernst nimmt, wie es manche besorgten Erziehungsberechtigten tun.

Wer die in der Mehrheit 10-15-Jährigen gesehen hat, die, während ihre Eltern vor dem Veranstaltungssaal oder irgendwo zwischen den Ständen für Buchkunst ein Geschoss tiefer tapfer die Zeit totschlugen, bis ihre Sprösslinge sich die Signatur des Reimeschrecks aus Tempelhof in das Buch haben zeichnen lassen, muss Bushido eher in eine Reihe mit den für diese Altersklasse übliche Identifikationsfiguren aus dem Reich der Superhelden verorten. Eine Art fleischgewordener und etwas garstiger Batman, dem man zutraut, dass er nachts auch noch an den Fassaden des Potsdamer Platzes “von der Skyline zum Bordstein” entlangklettert, während er tagsüber ziemlich dreist mit schlichtem Liedgut sich selbst und eine “Ghetto”-Welt feiert, die sehr vielen der hessischen Mittelstandskinder, die hier vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben zwanzig Euro für einen Hardcoverband ausgeben, immer ein mysteriöser Ort irgendwo am Ende des Landes bleiben wird.
Wer hätte nicht gern ein Autogramm von Karlsson vom Dach bekommen? Insofern ist es nur passend und ganz gut, dass Lars Amend Bushidos Geschichte niedergeschrieben und damit dessen Selbstbild fiktionalisiert hat. Drastisch und ein wenig verrucht, aber nicht schlimmer als Mickey Spillane. Dafür für eine ganzer Reihe derer, die ihn sonst nur aus dem YouTube-Versum kennen, Grund genug, ein Analogmedium zur Hand zu nehmen. Bushido ist nun nicht nur laut Plakat “Überall wo es Bücher gibt”. Wir zeigen ihm dafür die rosarote Karte der “Library Revoluzzers”:

“Jungs gebt euch keine Mühe/für mich seit ihr alle Raver – das ist der Bücherschrankflavour.”
Für die Eltern der hier anwesenden Freunde des Buches spricht Bushido in nur schwer zu entzifferendem Codes, was vielleicht etwas bedrohlich wirkt. Genauso wie die anwesenden Herren von der Security, die vor allem der Image-Pflege dienten, denn man kann sich kaum vorstellen, dass irgendeiner der vor Ehrfurcht zitterenden Anhänger des Herren im weißen Trikot irgendetwas anderes als einen Autogrammwunsch im Schilde führte. Übrigens galt auch Rave mal als ähnlich cool…In zehn Jahren heißt es bestimmt irgendwo aggressiv: “Jungs gebt euch keine Mühe/für mich seit ihr wie Bushido – abgestanden, ausgesondert, auch in unserer Bibo”.

1 Response to “Bücherschrank Flavour: Bushido und die Library Revoluzzers auf der Buchmesse.”


  1. [...] wüsste die New York Times von Bushido und einem sinnvollen Zweck seines Buches (vgl. auch hier), rapportiert sie gerade und zwar direkt auf ihrer Online-Startseite darüber, dass Bibliotheken in [...]

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