IBI-Weblog » Rhetorik http://weblog.ib.hu-berlin.de Weblog am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Wed, 28 Jun 2017 08:24:09 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.0.4 Die Entführung aus dem Serail (des Werkes) in das Stadion (des Textes): Ein weiteres Heidelberger Sprachbild http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=7305/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=7305/index.html#comments Thu, 16 Jul 2009 10:59:49 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=7305 Ob nach all dem die Urheber selbst profitieren werden, die von den verschiedenen Interessensvertretern gerne vorgeschickt werden, weil “Urheberrecht” edler klingt als “Verwerterinteresse”, bezweifelte der Juraprofessor Alexander Peukert von der Uni Frankfurt, der beim Book Settlement alles in allem einen abweichenden Standpunkt vertrat, in der Frage der Google Buchsuche nicht dramatisieren wollte und rundheraus bestritt, [...]]]>

Ob nach all dem die Urheber selbst profitieren werden, die von den verschiedenen Interessensvertretern gerne vorgeschickt werden, weil “Urheberrecht” edler klingt als “Verwerterinteresse”, bezweifelte der Juraprofessor Alexander Peukert von der Uni Frankfurt, der beim Book Settlement alles in allem einen abweichenden Standpunkt vertrat, in der Frage der Google Buchsuche nicht dramatisieren wollte und rundheraus bestritt, dass es irgendwo tatsächlich einen “Publikationszwang” im Namen von Open Access gebe. Er schien das für einen Popanz zu halten, hinter dem sich die besagten Interessen verschiedener Akteure verbargen. Peukert sprach auch als einziger den Ruf der Medienkonzerne nach einem Leistungsschutzrecht an und zog damit die Proteste des Börsenvereins auf sich, der beteuerte, anders als die Zeitungskonzerne keine derartigen Rechte einführen zu wollen. Den totalen Eigentumsanspruch der Autoren Reuß und Rieple wehrte Peukert mit einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts ab: “Werke gehen in das Allgemeingut ein.”

Wer gestern etwas Vernünftigeres vorhatte, als sich vor Ort den offensichtlich die Taktik der Zermürbung verfolgenden Hauptakteuren aus dem Heidelberger Appell-Zirkel auszusetzen, tat das Richtige und findet eine angemessene Zusammenfassung der Tagung zur “Autorschaft als Werkherrschaft in digitaler Zeit” im Ententeich des Perlentauchers: Die Früchte des Internets.

Die Argumentation der  Meinungsvorführer büßt langsam deutlich an Verve ein und beruht weitgehend nur noch auf einem sehr tönern aufgebockten und vor allem trotzigen Elitarismus. Vom Argument hat man sich dagegen ziemlich verabschiedet. Es ist wohl die Freude am rhetorischen Spiel um eine inhaltlich eigentlich leere Mitte, die sich hier Bahn bricht. Da spaltet man dann schon einmal in grotesker Form das eine Haar, welches Alexander Peukert in der Google-Kalkulation um die Verteilung der Werbeeinnahmen fallen lässt, um sich nicht mit den durchaus schlüssigen Argumenten des “nur” Tenure-Track-JuniorprofessurAlexander Peukert auseinander setzen zu müssen, der im anachronistischen Hierarchiegedenke eines Teiles der Anwesenden schon aufgrund seiner Position offensichtlich weit weniger gilt, als der ordentlicher Universitätsprofessor Volker Rieble. Da nützt auch die Provinienz im Rechtsgebiet (Peukert: Immaterialgüterrecht, Rieble: Arbeitsrecht) wenig. Ohnehin setzt man offensichtlich viel lieber auf eine für Außenstehende nur noch als Farce erklärbare Emotionalisierung:

“Er [Reuss] sei wie der Vater seiner Werke. Der von ihm beschworene Zwang zu Open Access und Googles Bemächtigung erschienen wie eine Entführung seiner Kinder in ein Stadion, wo sie dann ohne weitere Aufsicht einem entfesselten Mob ausgeliefert wären.”

Hier denkt man natürlich sofort an einen anderen Kafka-Experten: Vladimir Nabokov und das gräßliche Schicksal von David Krug in Bend Sinister. Das wäre doch einmal ein Bild für die Debatte: das Internet als absurdes, von der Party of the Average Man beherrschtes Padukgrad, dass um jeden Preis – und sei es der der Vernichtung – das Werk eines Professors für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren sucht.

Wenn es nicht höchst unfair wäre, könnte man andererseits auch darüber sinnieren, ob die von Roland Reuß edierten Autoren – übrigens auch eine Art Zweitverwertung von bestehenden Inhalten mit Annotation, so wie man es in der Blogosphäre nur eben mit tagesaktuellen Inhalten macht  – sich ähnliches fragen würden, wenn sie es denn könnten. Immerhin wollte Franz Kafka seinen Nachlass auch nicht unbedingt publiziert sehen, sondern bat vielmehr Max Brod explizit um die Vernichtung der Tagebücher und Briefe. Dieser hielt sich nicht daran und so können wir jetzt z.B. in einem Brief aus Meran an Milena Jesenská aus dem Jahr 1920 lesen:

“Wenn ein Fremder ohne Kenntnis der Sache das lesen würde, müßte er denken: “Was für ein Mensch! In diesem Fall scheint er Berge versetzt zu haben.” Unterdessen hat er gar nichts getan, kein Finger (außer dem Schreibefinger) gerührt, nährt sich von Milch und guten Dingen, ohne immer (wenn auch oft) “Tee und Äpfel” vor sich zu sehn und läßt im übrigen die Dinge ihren Gang gehn und die Berge auf ihren Plätzen.”

So wird es dann hoffentlich auch in dieser Debatte aus dem Glashaus des Urheberrechts enden. Besonders hervorstehende Sprachspielereien und Formulierungen sollte man dennoch schon aus Gründen der Dokumentation sammeln. Netzpolitik.org hat jedenfalls auch eine gewisse Freude daran: Die Selbsthilfegruppe “Heidelberger Appell” tagt.

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Open Access Leseland: Roland Reuß fürchtet einen Schimmer DDR http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6921/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=6921/index.html#comments Fri, 08 May 2009 19:31:27 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=6921 Reuß’ Kritik beschränkt sich aber nicht nur auf das “Open Access”-Verfahren, bei dem er die “transformierte DDR im Publikationssektor” durchschimmern sieht. Sollte wirklich stimmen, was heise.de über Roland Reuß und seine Gleichnisfindung berichtet, dann muss man langsam glauben, er sei völlig aus dem Plan geraten. Ernsthaft eingehen kann auf solche Vergleiche jedenfalls nicht mehr. Dabei [...]]]>

Reuß’ Kritik beschränkt sich aber nicht nur auf das “Open Access”-Verfahren, bei dem er die “transformierte DDR im Publikationssektor” durchschimmern sieht.

Sollte wirklich stimmen, was heise.de über Roland Reuß und seine Gleichnisfindung berichtet, dann muss man langsam glauben, er sei völlig aus dem Plan geraten. Ernsthaft eingehen kann auf solche Vergleiche jedenfalls nicht mehr. Dabei zeigt er an anderer Stelle nicht unbedingt übermäßig Fantasie:

” Kein Verlag werde etwas drucken, wenn es spätestens sechs Monate später kostenlos im Netz legal verfügbar sei.”

Wir kennen schon mal einen, sogar mittelständischen, der ein Buch sogar zeitgleich frei zur Verfügung stellte, das einen Amazon-Verkaufsrang hat, der für ein derart spezielles Produkt nicht ungewöhnlich ist und auch ansonsten gut lief. Vielleicht war das eine Eintagsfliege, aber es ist ein Gegenbeispiel, das die Angabe “kein Verlag” falsifiziert. Statt den Blockadekurs zu fahren, wäre es eventuell perspektivisch angemessener, die intellektuelle Energie in Hinblick auf eine Anpassung der Geschäftsmodelle an die Rahmenbedingungen einer hybriden Publikationskultur (Print und Digital) zu investieren.

Ob Roland Reuß irgendwann noch die Kurve zum Dialog bekommt, bleibt eine spannende Frage am äußeren Rand der Debatte. Da der Gesamtwortlaut seines Redebeitrags nicht vorliegt, versteht man ihn vielleicht aber auch falsch und er meint gar nicht einen NÖSPL-Versuch oder vermutlich eher noch eine Honecker’sche Wirtschaft, sondern sieht vielmehr eine “Friedliche Revolution” aufziehen, die die Mauer zwischen den beiden Lagern durchlöchert. Die “transformierte DDR” war immerhin die der Nachwende, die des Runden Tisches, die, in der man versuchte, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten, die Gegenwart aktiv zu gestalten und Gesellschaft noch einmal ganz anders zu denken. Das ist natürlich gescheitert und die nicht durchgängig brillante Lösung war, wieder auf ein bewährtes Pferd zu setzen. Sollte Roland Reuß diese Tiefe in seinem Bild mitgedacht haben, dann nehme ich alles zurück und ziehe meinen Hut.

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