Szenarien des elektronischen Publizierens in den Geisteswissenschaften, ein Projektseminar im Sommersemester 2015

Es wird im Sommersemester 2015 am IBI ein Projektseminar zu aktuellen Entwicklungen im Publizieren und zur Fachkommunikation in den Geisteswissenschaften geben. Hier die Kurzbeschreibung aus dem Fu-PusH-Weblog:

Sommersemester 2015 (Do 10-12 | R 121 (IBI) | Dozenten: Ben Kaden und Michael Kleineberg)

Das wissenschaftliche Publikationswesen und damit auch das wissenschaftliche Bibliothekswesen befinden sich massiv im Umbruch. Nahezu alle Prozesse der wissenschaftlichen Kommunikation sind mittlerweile digital geprägt. Dies betrifft auch die Geisteswissenschaften, die traditionell tiefer und robuster in der Buch- und Printkultur verankert sind als andere Wissenschaftsfelder.

Das DFG-Projekt „Future Publications in den Humanities“ (Fu-PusH), angesiedelt an der Universitätsbibliothek der HU, untersucht, wie der digitale Wandel auf geisteswissenschaftliche Disziplinen und ihre Publikations- und Kommunikationsverfahren wirkt. Dabei werden auch Anwendungsszenarien entwickelt, bei denen erweiterte Funktionalitäten wie beispielsweise Multimedialität, semantische Strukturierung, Forschungsdatenintegration, Annotationen und Social Reading eine zentrale Rolle spielen.

Das einmalig stattfindende Projektseminar vermittelt aufbauend auf den Erkenntnissen des Fu-PusH-Projektes einen Überblick über aktuelle Trends der geisteswissenschaftlichen Wissenschaftskommunikation und ermöglicht den TeilnehmerInnen aktiv an der Erarbeitung und Evaluation einschlägiger Publikationsszenarien von der Konzeption bis zur fertigen Veröffentlichung mitzuwirken. Das Seminar bietet die Gelegenheit, einen unmittelbaren Einblick in die immer häufiger anzutreffende angewandte Forschungsarbeit an der Schnittstelle zwischen Fach- und Bibliothekswissenschaft zu erhalten.

Das Projektseminar wendet sich an Bachelor- und Masterstudierende des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft.

Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung – entweder per E-Mail (Kontaktdaten) oder auch gern über Twitter @fupush.

Occupy und Bibliotheken. Zu einem Beitrag Mark Greifs in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.

Wer heute das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung aufschlug, hat es vielleicht bemerkt: Mark Greif, laut SZ „einer der wichtigsten jüngeren Essayisten Amerikas“ hat seinem doppelspaltigen Artikel über die Occupy-Bewegung ein kleines wunderbares Loblieb auf die öffentliche Bibliothek als Institution und Symbol des Gemeinsinns eingeschriebem. (Mark Greif: Eine uralte Sehnsucht. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 3/04.01.2012, S. 11) Ein bedrohtes Symbol übrigens, wie die polizeiliche Aussonderungs- und Auflösungsaktion an der Occupy-Bibliothek im Zuccotti Park nur noch einmal mit dem Vorschlaghammer vorführte. Continue reading ‘Occupy und Bibliotheken. Zu einem Beitrag Mark Greifs in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.’

Die Bibliothekswissenschaft als Zentaurenstall? Warum das Fach den Digital Humanities besonders nahesteht.

Angesichts der Grundsätzlichkeit des Themas war das mediale Echo zur Tagung „Forschungsinfrastrukturen in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Stellenwert – Förderung – Zukunftsperspektiven“ vom letzten Freitag sogar vergleichsweise zurückhaltend. Immerhin widmete die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Mittwochsausgabe dem ausgesprochen gut besetzten und besuchten Zusammentreffen in Bonn addiert in etwa drei Spalten Text als Rahmung  einer übergroß gedruckte Fotografie (dieser hier) der Thomas Burgh Library des Trinity College in Dublin, die so wie ein trotziges Gegenbild zur digitalen Verflüssigung geisteswissenschaftlich relevanter Materialien (z.B. Bibliotheksbestände) anmutet. Der von Eleganz triefende visuelle Bibliotheksfels in der Zeitung passt denn auch ganz gut zum Bericht Thomas Thiels, dem das Thema insgesamt recht wenig Stil zu besitzen scheint.

Zum Ausdruck kommt dies beispielsweise in dem schönen Wort “Funktionslyrik”, der Gegengattung zur “Antragsprosa” (vgl. diesen FAZ-Artikel vom 30.11.2011), mit der sie jedoch semantisch auf einer Zeile liegt. Dass von der Tagung nicht viel mehr als ein Einpendeln der Richtung zu erwarten war (und diese Erwartung also weitgehend erfüllt wurde) zeigen auch informell kommunizierte Besuchereindrücke. Thomas Thiel fasst es für die Druckseite so: Continue reading ‘Die Bibliothekswissenschaft als Zentaurenstall? Warum das Fach den Digital Humanities besonders nahesteht.’

Wieviel Ethik braucht das Fach? Zu einer möglichen Diskussion.

Es ist (aus verschiedenen Gründen und leider) nicht mehr oft der Fall, dass sich im IBI-Weblog noch inhaltliche Debatten entfalten – so selten, dass sogar der Direktlink von der umgestalteten Homepage des Instituts verschwunden ist. Ein Beitrag von Alexander Struck deutete allerdings jüngst wieder einmal an, wie Themendiskussionen in Weblogs entstehen können und da das Thema Berufsethik bzw. ebenso die Frage nach der politischen Positionierung von Bibliothekaren und Infomationsspezialisten jedes Fachbewusstsein permanent begleiten sollte, möchte ich sie aus dem Kommentar-Thread noch einmal herausheben und zugleich auf einen anderen Beitrag zum Thema hinweisen. Continue reading ‘Wieviel Ethik braucht das Fach? Zu einer möglichen Diskussion.’

LIBREAS-Lesung am IBI: Marc Schweska liest aus ‘Zur letzten Instanz’

Etwas in der Zeit versetzt und mit dem Zweck der Erinnerung sei nun auch hier noch einmal auf die vermutlich erste Veranstaltung des LIBREAS. Verein (mit freundlicher Unterstützung des IBI) hingewiesen. Nachfolgend die Meldung aus dem LIBREAS-Weblog:

Der LIBREAS. Verein freut sich, zu einer Lesung mit direktem Bezug zur Bibliothekswissenschaft in Berlin einladen zu können. Marc Schweska wird aus seinem Buch Zur letzten Instanz lesen. In diesem Roman geht es unter anderem um die Kybernetik-Forschung in der DDR, die einstmals im heutigen Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der HU Berlin betrieben wurde. Der Autor wird insbesondere auf diese Stellen seines Buches eingehen.

Zur Einführung sei auf die Besprechung von Ben Kaden zum Buch verwiesen: Die Dinge in Kybernesien.

Die Lesung findet am 09.12.2011, ab 18.30 Uhr, am gegebenen Orte (Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der HU Berlin, [heutige] Dorotheenstraße 26, Berlin) statt. Der Eintritt ist frei. Über Ihr Kommen würden wir uns freuen.

Die Einladung als PDF zum Ausdrucken hier.

Die Lesung findet im Raum 12 des Instituts statt.

Die Schließung öffentlicher Bibliotheken ist rechtswidrig, in England

Aus Großbritannien erreichen uns heute erfreuliche Nachrichten. Dort entschied nämlich gestern der High Court of Justice, immerhin das höchste Zivilgericht für England und Wales, dass die Schließung kommunaler Bibliotheken unzulässig sei, da sie gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung verstoße:

“Judge Martin McKenna ruled that, as the closures would hurt disadvantaged groups such as the elderly and the disabled, which is contrary to the conditions laid down in equalities legislation, the councils would just have to scrap their plans and think again. And he also made it crystal clear – as he quashed the closure decisions and told the councils to pay campaigners’ legal costs – that he was sending a message to other local authorities intent on restructuring their library services.”

Der Guardian kommentiert die Entscheidung für das öffentliche Bibliothekswesen nicht ohne Sympathie:  Campaign against library closures has scored a vital victory.

Kurzlebig. Bit.ly erforscht die Halbwertzeiten seiner Links.

Über den Bits-Blog der New York Times erreichen uns heute ein paar schöne Zahlen aus der Schnelllebigkeit digitaler Kommunikationsumwelten. Und eigentlich hätten sie uns die auf den 07.09. datierte Meldung zur Halbwertzeit von Links spätestens gestern (mit Zeitverschiebung heute morgen) auffallen müssen, aber mitunter ist es ja auch erhellend, etwas asynchron zu lesen und zu melden – was dann freilich die Lebensdauer von Links verlängern könnte.

Der Link-Shorten-Dienst Bit.ly hat jedenfalls aus seinem Datenbestand 1000 populäre Links auf die Nutzung über die Zeit hin ausgewertet (Mason, Hilary (06.09.2011) You just shared a link. How long will people pay attention? In: bitly blog. http://bit.ly/oUBGNQ). Dabei kam heraus, dass die Zeitspanne, in der ein Link angeklickt wird, bei Nachrichten kürzer ist, als es dauert, dieses Blogposting zu schreiben. Die – wie ein Kommentator aus dem Publikum anmerkt methodisch nur als Tendenz gemessene – Halbwertzeit liegt bei fünf Minuten. Bei Twitter werden ihm im Schnitt immerhin 2,8 Stunden, bei Facebook 3.2 Stunden, bei über E-Mail verschickten Verknüpfungen 3,4 Stunden gegönnt. Und bei YouTube fast ein Arbeitstag: 7,4 Stunden.

Bei Nachrichten ist übrigens klar, woraus sich die knappe Spannen ergibt: Neue Nachrichten drängen nach und verdrängen die alten aus dem Wahrnehmungshorizont der Nutzer. Nicht nur für die Suchmaschinenoptimierung wäre es interessant, zu untersuchen, inwiefern verschiedenen Präsentations-Modi unterschiedliche Ergebnisse nach sich ziehen. Hier stehen die aktualisierte Anzeige von prominenten Links über Facebooks “Top News” gegen Twitters “Re-Tweets”. Dies schlägt die Brücke zurück zu bit.ly, wo man eher an die Relevanz des Inhalts glaubt:

“This leads us to believe that the lifespan of your link is connected more to what content it points to than on where you post it: on the social web it’s all about what you share, not where you share it!”

Ein Inhalt, der im Gespräch bleibt, lebt eben länger. Und der Link darauf ebenfalls.

Die Zusammenfassung bei bits.blogs.nytimes.com:  The Lifespan of a Link.

Google, was geht? Das Scenario Magazine berichtet aus dem Beta Lab.

Thomas Geuken, Psychologe vom Copenhagen Institute for Future Studies, das thematisch zwangsläufig vieles erforscht, was auch die Bibliotheks- und Informationswissenschaft umtreibt, fuhr für das institutseigene Scenario Magazine ins New Yorker Beta Lab Googles und hat dabei ein an Einblicken reiches Interview mit der im Unternehmen für Forschung und Entwicklung verantwortlichen Corinna Cortes geführt. Continue reading ‘Google, was geht? Das Scenario Magazine berichtet aus dem Beta Lab.’

Küssen und Morden: Hubert Spiegel schreibt in der morgigen FAZ sehr schön über Bibliotheken.

Während das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Aufmacher am Montag Charlotte Roches neues Buch “Schoßgebete” großformatig und sicher in Richtung Bestseller-Listenspitzenplatz schickt, bekommt zwei Seiten später Hubert Spiegel etwas weniger Platz, über die für uns noch relevantere und in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit außergewöhnliche Münchener Ausstellung Die Weisheit baut sich ein Haus zu berichten. Der mit großem Foto illustrierte (Die Mátrix der Megabiblioteca José Vasconcelos in Mexiko-Stadt) Text ist dabei ein gelungenes Beispiel für präzise und zielführende Informationsverdichtung: Er kennt (und nennt) sowohl Gabriel Naudé wie die Kamelbibliothek des persischen Großwesirs Abdul Kassem Ismael – also zugleich bedeutende und kuriose Eckpunkte der Bibliotheksgeschichte. Damit gelingt es ihm, in vielleicht 1400 Wörtern glasklar kulturhistorisch nachvollziehbar herauszustellen, welchen maßgeblichen Anteil die Institution Bibliothek an der Entstehung unserer Kultur besitzt und dass sie, entgegen manchen auf ein mögliches baldiges Ableben schnellschießenden Behauptungen, wenigstens neubautechnisch noch sehr fidel daherkommt. Und dabei in verdoppelter Form:

Heute stehen die Konzepte der introvertierten und der extrovertierten Bibliothek gleichberechtigt nebeneinander.”

Diese bizentrische Gelassenheit wirkt denn auch für uns, die wir uns professionell mit den Verschiebungen der Institution Bibliothek und ihrer Möglichkeiten befassen, angemessener, als beispielsweise das traurige Lied, dass aus der Besprechung derselben Veranstaltung in der Frankfurter Rundschau heraufklang. (vgl. hier) Die Jahrtausende dicke, im Zeitfluss dahinströmende Spur von Bibliothek und Buch, die in der Digitalkultur ein sich permanent verästelndes Delta gefunden hat, scheint doch wirkmächtiger in unsere Kultur eingeschrieben, als dass wir uns grundlegend um ihre Zukunft sorgen müssten.  Sorgen wären erst dann angezeigt, wenn wir vergessen hätten, woran das Feuilleton der überregionalen Tagespresse freundlicherweise auch seine anderen Zielgruppen erinnert, nämlich

“dass es wohl keine menschliche Tätigkeit gibt, die sich in der Bibliothek nicht ausüben ließe, vom Essen und Schlafen bis zum Küssen und Morden.”

Und nebenbei die Konstruktion aller Facetten unserer kulturgestalteten Lebenswelt.

(Spiegel, Hubert: Auch die Karawane muss alphabetisiert sein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 08.08.2011, S.25)

Wenn das Leck aber nun keine Arche hat? Die Frankfurter Rundschau sieht die Bibliothek angeschlagen.

„Die Niederschrift, die von den pariser Passage handelt, ist unter freiem Himmel begonnen worden wolkenloser Bläue […]“

Wenn Oliver Herwig heute für seinen Besprechungsartikel (mit dem schwierigen Titel Die Arche mit dem Leck ) zu einer Ausstellung über Bibliotheken schon Walter Benjamin (neben Karl Marx) als den üblichen Vorzeigelesesaalbenutzer herausstellt, dann ist es schwer, nicht an diese himmelhochziehende Passage, die sich über das Passagenwerk spannt, zu denken.

Dazwischen knüpft der Journalist dann eine Wäscheleine vom großen Weltgestalter Internet – dem Schöpfer gewordenen Infrastrukturkonzept – in der immer richtig-falschen Grundaussage „Das Internet verändert alles.“ bis zur ebenso charakterisierbaren Normvorgabe für die Institution Bibliothek: „Sie wird sich weiter öffnen müssen.“

An diese heftet er einige Vorstellungsbilder einer Basisbetrachtung, die bei Konrad Gessner beginnt und einzelne Eindrücke der für ihn „seltsam melancholische[n] Ausstellung“ Die Weisheit baut sich ein Haus. Architektur und Geschichte von Bibliotheken zu einem rückschauenden Rundgang am Ende der Bibliothek, wie wir sie kennen, zusammenklammert: Continue reading ‘Wenn das Leck aber nun keine Arche hat? Die Frankfurter Rundschau sieht die Bibliothek angeschlagen.’

Wirtschaft und Gesellschaft? Eine Anmerkung zu Googles unabhängigem Forschungsinstitut aus Sicht der Bibliotheks- und Informationswissenschaft.

“wer braucht jetzt noch ein Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften?”

fragt beinahe rührend eine unbekannte Solveig in ihrem Kommentar zu Alexanders kleinem Posting zum von Google finanzierten Unabhängige[n] Forschungsinstitut für Internet und Gesellschaft mit den Gesellschaftern Humboldt-Universität zu Berlin, Universität der Künste Berlin und Wissenschaftszentrum Berlin. Continue reading ‘Wirtschaft und Gesellschaft? Eine Anmerkung zu Googles unabhängigem Forschungsinstitut aus Sicht der Bibliotheks- und Informationswissenschaft.’

Das Protestensemble: Jens Bisky berichtet in der SZ über eine DFG-externe Veranstaltung zur Zukunft der DFG.

“‘Fünf gegen die Deutsche Forschungsgemeinschaft’ hätte die Vorstellung heißen können, die am Freitag im Foyer des Berliner Ensembles gegeben wurde.”

Und wir hätten die Veranstaltung des Heidelberger Instituts für Textkritik um Roland Reuss und Uwe Jochum gern besucht. Aber manchmal schiebt sich etwas anderes dazwischen und so sind wir auf den Bericht Jens Biskys im Feuilleton der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung angewiesen. (17000 Anträge, 2000 Liter Wasser, S. 12)

Es ist bedauerlicherweise nicht bekannt, ob die Wut-Bürger-inspirierte Neuschöpfung Wut-Wissenschaftler von Jens Bisky oder von der sprachgewandten Feuilleton-Endredaktion der SZ stammt. Die Wendung selbst als Ausdruck für um die Wissenschaftsfreiheit mit öffentlichkeitswirksam artikuliertem Protest loskämpfende Akademiker ist zwar nicht elegant aber be- und überhaupt merkenswert. Allerdings ist Jens Bisky, der durch die Feuilleton-Sichtungs-Redaktion von Perlentaucher.de zum Sympathisanten der Ensemble-Session erklärt wurde, von vornherein eher skeptisch ob eines möglichen Erfolges: Continue reading ‘Das Protestensemble: Jens Bisky berichtet in der SZ über eine DFG-externe Veranstaltung zur Zukunft der DFG.’

Wie die Wissensgeschichte zur Wahrheit kommt. Die FAZ über das Entstehen einer neuen Mikro-Disziplin.

Die Bibliothekswissenschaft, so meine hier und heute vertretene These, ist ein weiche Disziplin. Unter weichen Disziplinen verstehe ich solche, die recht jung sind (was auf die Bibliothekswissenschaft alter Prägung allerdings nur bedingt zutrifft, vgl. hier) und/oder aus einer Notwendigkeit geborene Schnittstellendisziplinen zwischen anderen Disziplinen darstellen. Ein gutes Beispiel ist die Bildwissenschaft. Inwieweit die Disziplin Bibliothekswissenschaft tatsächlich mit meiner These in Übereinstimmung zu bringen ist, muss zugegeben noch geprüft werden. Und dafür gibt es, wie Stefan Laube im Wissenschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Mittwoch vermeldet (Wie es einst zur Wahrheit kam. In: FAZ, 29.06.2011, S. N4), nun eine weitere weiche Disziplin, die das Rüstzeug für derartige Betrachtungen entwickeln könnte: die der Wissensgeschichte. Continue reading ‘Wie die Wissensgeschichte zur Wahrheit kommt. Die FAZ über das Entstehen einer neuen Mikro-Disziplin.’

“Die Zeit scheint eine neue Ordnung der Dinge herbeiführen zu wollen”. Ein kurzer Blick auf Adam Soboczynskis postdemokratische Netzgesellschaftstheorie.

“Das Web 2.0 ist vor- und zugleich nachdemokratisch. Es hebelt nicht nur nationale Gesetzgebung aus, formale Strukturen politischer Partizipation, es verdrängt nicht nur die alten Medien, sondern lässt einen neuen, gleichsam alten Menschentypus auf die Bühne treten: den sozial hyperaktiven, den um Status und Witz kämpfenden Höfling, den reaktionsschnellen und bewertungssüchtigen, den geistreichen Parvenü.” (ZEIT, 48/2009, S. 51)

Aus der nicht allzu üppig bestetzten  Generation der jungen Netzkritiker ragt der 1975 geborene Schriftsteller und Feuilletonredakteur bei der ZEIT Adam Soboczynski mit bemerkenswerter Schroffheit hervor. Das mag unter anderen auch daran liegen, dass sein Medium ihm dennoch genug Publizität verschafft, um auch im Internet permanent sichtbar und zu einem vielgeklickten Autoren zu werden. Im diskursökonomischen Gemenge treibt seine Stimme jedenfalls häufig weit an der Oberfläche.

Wenn man seine Publikationsbiografie zum Beispiel vom Meilenstein-Text Das Netz als Feind. (Untertitel: Warum der Intellektuelle im Internet mit Hass verfolgt wird) aus dem Jahr 2009 ausgehend verfolgt (vergleiche dazu auch hier), dann hat man jedoch auch als jemand, der dem unreflektierten Gebrauch des Kommunikationsnetzwerks Internet gern mal mit Skepsis, mal mit Kritik gegenüber steht, wenig Grund, ein Fan zu werden. Das Eingangszitat demonstriert anschaulich, dass für den ZEIT-Artikel nicht unbedingt ein Kalligraph des ausgewogenen Sacharguments an den Tasten saß, sondern ein Mann weniger mit einer Mission als mit einem klar umrissenen Feindbild. Continue reading ‘“Die Zeit scheint eine neue Ordnung der Dinge herbeiführen zu wollen”. Ein kurzer Blick auf Adam Soboczynskis postdemokratische Netzgesellschaftstheorie.’

LIBREAS.Verein, in Gründung

Man hätte die Sache vielleicht auch mit einem kleinen Feuerwerk auf der Unkonferenz frei<tag> am letzten Freitag hochgehen lassen können. Aber dann hätte man möglicherweise ein Quintchen zuviel Fracht in die randvolle Konferenzwoche gelegt. So trafen sich ein Teil der LIBREAS-Redaktion und einige andere Eingeweihte am gestrigen Pfingstmontag in kleinerem Kreis, lasen und korrigierten ein paar Stunden lang in einem Satzungsentwurf und hatten am Ende einen Verein i.G. (in Gründung) in der Tasche: LIBREAS. Verein zur Förderung der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Kommunikation.

Die Kurzform wird LIBREAS.Verein sein, die Webadresse des frei<tag>s, www.bibliothekswissenschaft.eu, ab demnächst darauf verweisen und weitere Informationen über die einschlägigen Kanäle bekannt gegeben. Wer vorab etwas wissen oder sich aktiv einbringen möchte, darf gern über die E-Mail-Adresse verein@libreas.eu eine Nachricht senden.

Weitere Informationen zu Zielen und Zwecken des Vereins finden sich im LIBREAS.Weblog:  Gründung von „LIBREAS. Verein zur Förderung der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Kommunikation“.

Retooltime. In Kanada findet man evolutionäre Worte für die Demontage des Schulbibliothekswesens

“We are not, and I reiterate, we are not closing libraries. We are retooling”

Im der sonst dem Vorurteil nach ziemlich vorbildlichen Bibliothekswelt Nordamerikas sehen sich wenigstens die Schulbibliotheken aktuell einer Art Erdbeben ausgesetzt. Der aktuelle Beitrag aus der Zeitung The Windsor aus der kleinen Stadt Windsor, Ontario gegenüber dem ungleich größeren, schrumpfenden und ebenfalls bibliotheksschließenden Detroit ist in dieser Hinsicht einerseits nur ein Beispiel von ziemlich vielen und andererseits vor allem aus Gründen der angewandten Sprachforschung am Euphemismus interessant. Continue reading ‘Retooltime. In Kanada findet man evolutionäre Worte für die Demontage des Schulbibliothekswesens’

Exclusive Access. New Yorks zeitgenössischstes Wohngebäude hat eine Mieterbücherei.

Für meine u.a. gestern vertretene These zur Stabilität des Mediums Buch in bestimmten Statuskreisen passt ein Detail des heute in der FAZ von Jordan Mejias vorgestellten, fantastischen Wohnhochhauses, das Frank Gehry in den New Yorker Himmel wachsen ließ.

Die Wohnungen des Hipster-Gebäudes schlechthin mit seinen für den Berliner Blick astronomischen und für den New Yorker Blick eher teuren Mieten (für eine schlichte Einraumwohnung  ab umgerechnet ca. 1700 Euro) bieten zwar, wie Jordan Mejias betont und ein kurzer Blick auf die Grundrisse zeigt, eine “allzu genügsame Quadratmeterzahl”. Sie folgen aber auch, was die FAZ ein wenig verschweigt, einem anderen Ansatz: Wer in die Adresse 8 Spruce Street zieht, bekommt mehr als seine vier Wände. Die Wohnmaschine mit ihren 76 Geschossen erinnert ein bisschen an eine postmodern aktualisierte und vertikalisierte Bandstadt aus dem Sozgorod-Umfeld, indem sie nicht weniger zum Ausdruck bringt, als ein Wohnen jenseits der Dingkultur. Continue reading ‘Exclusive Access. New Yorks zeitgenössischstes Wohngebäude hat eine Mieterbücherei.’

Britpopliteratur mit Misston. Die NZZ über die Eventarisierung des Lesens und den Niedergang der öffentlichen Bibliotheken in Großbritannien.

«Büchereien zu schliessen, ist Kindesmissbrauch», rief auch der Schriftsteller Alan Bennett, der sich an Bibliotheksbesuche als essenziellen Bestandteil seiner Kindheit erinnert.

berichtet Marion Löhndorf im Feuilleton der heutigen Neuen Zürcher Zeitung (Es lebe das Lesen, 12.05.2011). Gegenstand ihres Berichts ist die britische Lesekultur und mit Alan Bennett und seiner glücklichen Bibliothekskindheit zitiert sie sicher einen der souveränsten Leser seines Landes. Continue reading ‘Britpopliteratur mit Misston. Die NZZ über die Eventarisierung des Lesens und den Niedergang der öffentlichen Bibliotheken in Großbritannien.’

Twittern, ein Leben im Meer. Neues aus der Yahoo!-betriebenen Netzwerkforschung

Der Mittwoch ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bekanntlich Wissenschaftstag. Ihre heutige Sektion “Geisteswissenschaft” entdeckt das Maritime in Shakespeare, Lücken in der Frage nach einer generativen Universalgrammatik, wenig Neues auf einer Konferenz zur Mythenforschung, DaD’Annunzio, Constance de Salm zwischen französischen und deutschen Salonsesseln, Folter und Musik und im kleinsten der Beiträge Neues aus der Twitterforschung. Jürgen Kaube referiert also auf Seite N4 unter der Überschrift “Massenpersönlich” die Ergebnisse der Untersuchung Who Says What to Whom on Twitter (Volltext über diese Seite der Yahoo!-Forschungsgruppe) von Shaomei Wu, Jake M. Hofman, Winter E. Mason und Duncan J. Watts. Continue reading ‘Twittern, ein Leben im Meer. Neues aus der Yahoo!-betriebenen Netzwerkforschung’

Paper Passionsfrucht. Das FAZ-Feuilleton entdeckt den Librarian Chic.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist nun wahrlich nicht als Trend-Medium bekannt. Sondern eher dafür, dass sie die Gegenwartskultur mit einer ziemlich bodenständigen, bildungsbürgerlichen, bewahrensorientierten Elle misst und Ausdrücke wie Arrière-Garde richtig zu gebrauchen versteht. Daher mutet es mitunter beinahe rührend an, wenn sie doch zu Scherenelementen am Pauschenpferd der Modewelt des digitalen Lifestyles ansetzt. Im Feuilleton der morgigen Ausgabe ist es denn wieder so weit (Kafka pour homme. In: Ausgabe vom 28.04.2011, S. 29). Angesichts der Ankündigung Karl Lagerfelds, einen Duft des Buches zu kreieren, schwingt sich der Kolumnist namens dhaa Daniel Haas zu einer sinnlichen Kür über sein Gerät, dass es mir fast schwer fällt, auf diesen Hut der duften Medienreflektion noch einen zweiten zu setzen: Continue reading ‘Paper Passionsfrucht. Das FAZ-Feuilleton entdeckt den Librarian Chic.’

Das verschwindende Tagebuch: Twitter anno 1609?

Eine kurze mediengeschichtliche Betrachtung der Kuratorin Christine Nelson im Weblog zur Ausstellung The Diary: Three Centuries of Private Lives im New Yorker Morgan Library & Museum bietet nicht nur einen netten Einblick in eine aufregende Facette der Aufschreibtechnologie, sondern liefert zusätzlich eine treffende Bezeichnung für die aktuelle digitale Kommunikationskultur über Soziale Software: “disappearing diaries”. Dass zum Bewahren auch das Vergessen zählt, wusste schon der Erfinder des im Posting präsentierten löschbaren Notizblocks aus dem Jahr 1609: Continue reading ‘Das verschwindende Tagebuch: Twitter anno 1609?’

Das Buch als Prozacco? Eine Studie zu Depression und Mediennutzung, referiert beim New Yorker

Das “Book Department” des New Yorker hat noch eine interessante Nachricht für alle, die jetzt auf dem Weg in die nächste Bibliothek und Buchhandlung sind, um sich wie immer viel zu viel zum Lesen für das Wochenende zu besorgen. Also z.B. für mich.

Jeannie Vanasco referiert auf der Book Bench des Wochenblatts eine Studie von Brian A. Patrick (Assistant Professor of Medicine and Pediatrics at the University of Pittsburgh School of Medicine) et al. zum Zusammenhang des Mediennutzungsverhaltens mit Depressionen (Primack BA, Silk JS, Delozier CR et al: Using ecological momentary assessment to determine media use by individuals with and without major depressive disorder. In: Archives of Pediatrics & Adolescents Medicine. 2011, April (4) S. 360-365. doi:10.1001/archpediatrics.2011.27): Continue reading ‘Das Buch als Prozacco? Eine Studie zu Depression und Mediennutzung, referiert beim New Yorker’

Sign your name across my Pad. Die New York Times berichtet über das e-Autogramm.

Bei der medientheoretischen Diskussion über die jeweiligen Vor- und Nachteile von Digital und Druck fiel bislang häufig eine Facette unter den Büchertisch: die des signierten Werkes. Die Unterschrift des Autors auf dem Vorsatzblatt, nicht selten mühselig nach langer Lesung und noch längerem Stehen in der Schlange  erkämpft, machte das Exemplar mehr oder weniger (d.h. je nach Widmung) zu einem außerordentlichen Einzelstück und hob es aus der Masse der restlichen Auflage für alle Zeiten heraus. Mit dem Aufkommen der filzstiftresistenten E-Books brachen für Autogrammjäger bittere Zeiten an, denn die untrennbare Verbindung von Werk und Urheberunterschrift war selbst dann nicht mehr herstellbar, wenn der Faserschreiber den Namen dem Display einschrieb. Continue reading ‘Sign your name across my Pad. Die New York Times berichtet über das e-Autogramm.’

Studentische Hilfskraft in Kanzlei gesucht

Ein aktueller Stellenhinweis:

Die Kanzleibibliothek der Anwaltssozietät Raue LLP sucht ab sofort eine/n Studierende/n des Instituts als studentische Hilfskraft. Die Arbeitszeit variiert je nach Bedarf und beträgt in der Regel zwei mal fünf Stunden wöchentlich.

Gesucht werden idealerweise InteressentInnen, die sich am Anfang des Studiums befinden. Die Aufgaben umfassen  hauptsächlich das Nachsortieren der Loseblattwerke, Ausleihe/Kopieren in verschiedenen Bibliotheken sowie andere anfallende Tätigkeiten, z.B. Buchbearbeitung.

Bitte senden Sie ihre formlose Bewerbung per Email an Dipl.-Bibl. Ursula Timreck – ursula.timreck@raue.com.

Die bücherfreie Bibliothek als höchste Eisenbahn, in Newport Beach

Das kalifornische Newport Beach ist nicht nur die Wahlheimat Jürgen Klinsmanns sondern momentan auch dafür bekannt, dass sie die dortige Public Library zwar public bleibt, jedoch zugleich zur bookless library wird. Wie die Los Angeles Times am verdächtigen 01.04. aber doch wohl wahrheitsgetreu berichtete, ergab eine Analyse des Nutzungsverhaltens, dass der Griff zum Buch nicht mehr Kern der Benutzung ist. (Mike Reicher (01.04.2011): Tomes’ time might be up at Newport Beach library. latimes.com) Vielmehr wird die Bibliothek hauptsächlich als gratis Internet-Café benutzt:

“Most visit the branches to study, to plug their laptops into work spaces or to use computers with Internet connections.” Continue reading ‘Die bücherfreie Bibliothek als höchste Eisenbahn, in Newport Beach’