IBI-Weblog » Politik http://weblog.ib.hu-berlin.de Weblog am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Wed, 28 Jun 2017 08:24:09 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.0.4 Occupy und Bibliotheken. Zu einem Beitrag Mark Greifs in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=9218/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=9218/index.html#comments Wed, 04 Jan 2012 17:19:46 +0000 Ben http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=9218 Wer heute das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung aufschlug, hat es vielleicht bemerkt: Mark Greif, laut SZ „einer der wichtigsten jüngeren Essayisten Amerikas“ hat seinem doppelspaltigen Artikel über die Occupy-Bewegung ein kleines wunderbares Loblieb auf die öffentliche Bibliothek als Institution und Symbol des Gemeinsinns eingeschriebem. (Mark Greif: Eine uralte Sehnsucht. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 3/04.01.2012, S. [...]]]>

Wer heute das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung aufschlug, hat es vielleicht bemerkt: Mark Greif, laut SZ „einer der wichtigsten jüngeren Essayisten Amerikas“ hat seinem doppelspaltigen Artikel über die Occupy-Bewegung ein kleines wunderbares Loblieb auf die öffentliche Bibliothek als Institution und Symbol des Gemeinsinns eingeschriebem. (Mark Greif: Eine uralte Sehnsucht. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 3/04.01.2012, S. 11) Ein bedrohtes Symbol übrigens, wie die polizeiliche Aussonderungs- und Auflösungsaktion an der Occupy-Bibliothek im Zuccotti Park nur noch einmal mit dem Vorschlaghammer vorführte. Die Occupy-Camps erscheinen Mark Greif als Reanimation des ur-amerikanischen Formats der Zivilgesellschaft: Das Gemeinwesen einer Kleinstadt „mit ihrem Postamt, ihrer städtischen Bücherei, dem Speiselokal – jenen Orten, an denen sich die Bürger der Stadt in einem informellen Rahmen begegnen konnten.“ Der Bestand dieser Bibliotheken ist tatsächlich Medium, nämlich der Vermittlungsgrund auf dem das kommunikative Zusammentreffen, aus dem sich Öffentlichkeit in ihrem politischen Sinne ergibt, entsteht.

Die Räumungsaktion der Bibliothek im Zuccotti-Park ist für Mark Greif gleichermaßen ein Symbol für die Auflösung der Institution Public Library in den USA allgemein:

„Die Bibliothek von Zuccotti Park ist in derseben Weise in den Müll gewandert, wie auch andere Bibliotheken in den USA verschwinden. Bibliotheken, deren Buchbestände aufgelöst werden, um jene „Technikzentren“ zu errichten, die man aufsucht, um auf Facebook und eBay zu gehen und das Netz nach Steuertipps und Pornographie zu durchstöbern – so wie das andere Bürger in den eigenen vier Wänden tun; und Bibliotheken, die man deshalb schließt, weil man sie bei der städtischen Budgetplanung nicht mehr berücksichtigt hat.“

Abgesehen von der etwas sehr moralisierenden Spitze auf das konkrete Nutzerverhalten, tritt in diesem Zitat deutlich ein Strukturwandel in der Bibliotheks- und Medienöffentlichkeit zu Tage, der – bisher abgeschwächt – auch in der Bundesrepublik spürbar ist. Dieser nimmt der in der Kombination von digitalen Rückkanalmedien und Ökonomisierung tatsächlich öffentliche Institutionen – Mark Greif erwähnt auch noch die US Post, der so langsam das Verhältnis von infrastrukturellem Aufwand zu Bilanz entgleitet und für die es rührende Rettungsaktionen gibt – zunehmend von der Bildfläche und bevorzugt bestimmte Lebensstilgruppen gegenüber anderen. Dass diese neben höherer Bildung (also idealerweise höherem Einkommen) auch eine größerer Affinität zu bestimmten Erlebnisformen und besonders zum Konsum allgemein aufweisen, liegt in der Natur der Sache.

Denn hinter dieser Entwicklung steckt in gewisser Weise die umfassende Entfaltung kapitalistischer Prinzipien in unser post-traditionellen Sozialsphäre: Mediennutzung und Kommunikation werden privatisiert und in dieser privaten Variante zugleich massiv in ehemals oder noch öffentliche Räume getragen. Digitale Medien tragen zweifellos auch zur Erhöhung von Teilhabechancen bei. Das internetfähige Smartphone ermöglicht es aber auch, in eine Allgegenwart des Geldausgebens zu tauchen. Die digitale Revolution liegt immer auch in den Händen von den Vodafone, Facebook und Apple. Die dominanten Strukturen und Akteure lassen bestimmte Spielräume zu, bauen zugleich jedoch auf die Erzeugung von Abhängigkeiten. Die Instrumente des Personal Branding, der Selbstvermarktung in den Sozialen Netzwerken von XING bis Twitter, totalisieren den Wettbewerb gegenüber der Gemeinschaft. Ein Facebook-Profil und -Netzwerk sind Anlagen des persönlichen (sozialen) Humankapitals und in den AGBs stecken die Spielregeln für Teilhabe an der digitalen Weltgemeinschaft so wie im BGB die für das nationale Miteinander.

Der Buchbestand einer kommunalen Bibliothek lässt sich nicht zuletzt als manifestes gemeinschaftliches Vermögen auch in der Bedeutung potentiellen Orientierungs- und Handlungswissens verstehen. Die digitalen Kommunikationen und Zugriffe auf Medienschnipsel sind dagegen unüberschaubar virtuell, permanent in Veränderung und hinterlassen in jeder Browserverlaufsgeschichte andere Spuren. In der konkreten Nutzung mag der Unterschied gar nicht mal so gravierend sein. Auf der symbolischen Ebene ist es jedoch eine gewaltige Verschiebung. Und das nicht nur, weil in digitalen Netzen jeder Zugriff protokolliert, bewertet und bei Bedarf abgerechnet werden kann.

Das Ersetzen des Eigenwertes der öffentlichen Bibliothek als Baustein der Gemeinschaft durch den Erwartungshorizont der Kosten-Leistungsrechung und Budgetierung führt schließlich bisweilen dazu, dass man sie als obsolet aus den kommunalen Finanzplanungen, die eben weitgehend vordergründig berechenbare Werte heranziehen, einfach streicht. Dadurch aber, dass man dabei eben nicht nur eine städtische Luxusausgabe reduziert, sondern ein grundlegendes Symbol von Gemeinschaft löscht, stützt man bestimmte gesellschaftliche Tendenzen, gegen die sich unter anderem die Occupy-Bewegung ausspricht. Der Stadtkämmerer berücksichtigt diese Dimension naturgemäß in den seltensten Fällen. Er freut sich seiner professionellen Spezialisierung entsprechend, wenn er Kosten externalisieren oder verringern kann. Im Sinne eines sozialen Ausgleichs ist jede Schließung einer Bibliothek aber ein deutliches politisches Signal gegen die Gemeinschaft. Das Verschwinden öffentlicher Räume, von denen öffentliche Bibliotheken eine Variante sind, steht immer auch für das Verschwinden einer Alternative zum rein Ökonomischen. Nach der Erosion von Tradition und Glauben bleibt uns dahingehend nicht mehr viel. Die Occupy-Bewegung in den USA versucht sich nun einen solchen Raum zurückzuerschließen und – so Mark Greif – an die Idee der Demokratie in Amerika wieder ernsthaft anzuschließen. „Aber kann [...] das“, so der Essayist, „überhaupt gelingen ohne unsere Bibliothek, ohne die Bücher, die wir liebgewonnen haben und die unsere Spuren tragen, ohne einen Ort, an dem wir Fremde treffen können, die dieselbe Idee von Amerika haben wie wir, ohne den Anspruch auf ein kleines Fleckchen Land, kurz: ohne unseren Park?“

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Fertige Wahlbausteine schon bei ver.di http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=7318/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=7318/index.html#comments Sat, 18 Jul 2009 12:16:46 +0000 Karsten Schuldt http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=7318 Bibliothek & Information Deutschland (BID) hat gestern eine Meldung veröffentlicht, nach der an sechs von sieben im Bundestag vertretenen Parteien Wahlprüfsteine verschickt wurden. Wahlprüfsteine sind ja bekanntlich eine verbreitete Methode, mit der Organisationen versuchen in den Wahlkampf und auch die anschließende Politik einzugreifen. Es werden an Parteien Fragen gestellt, welche die jeweils von der fragenden [...]]]>

Bibliothek & Information Deutschland (BID) hat gestern eine Meldung veröffentlicht, nach der an sechs von sieben im Bundestag vertretenen Parteien Wahlprüfsteine verschickt wurden. Wahlprüfsteine sind ja bekanntlich eine verbreitete Methode, mit der Organisationen versuchen in den Wahlkampf und auch die anschließende Politik einzugreifen. Es werden an Parteien Fragen gestellt, welche die jeweils von der fragenden Organisation bearbeiteten Themenfelder betreffen. Die Parteien sollen dann – bitte – ihre Positionen zu diesen Themen darlegen. Suggeriert wird einerseits, dass so von den Parteien ein an den Themen der Organisationen interessiertes Publikum angesprochen werden kann, andererseits wollen die Organisationen aber auch mit ihren Themen gehört werden. Das ist ja alles erstmal verständlich. Gleichzeitig scheint die tatsächliche Effektivität solcher Wahlprüfsteine beschränkt, schon weil einfach sehr sehr sehr viele Organisationen zu dieser Methode greifen.

Somit kann es auch vorkommen, dass die Parteien bei der Beantwortung der Wahlprüfsteine einer Organisation die Wahlprüfsteine einer anderen Organisation mit beantworten. So scheint das mit den Wahlprüfsteinen von BID passiert zu sein. Ver.di, die als Organisation ja immerhin mit weit mehr potentiellen Stimmen von Wählerinnen und Wählern wuchten können als der BID, hat ihre Wahlprüfsteine schon längst beantwortet zurückbekommen. Der Teil der Wahlprüfsteine, welcher sich auf den Bildungsbereich bezieht – wozu bei ver.di halt auch alle Bibliotheken, Archive und Dokumentationseinrichtungen gezählt werden – ist in der aktuellen Ausgabe des biwifo-Reports (2/2009, Seite 5-8) veröffentlicht.

Wie der BID hat auch ver.di den Fehler begangen, sich auf die sechs “bekannten” Parteien zu beschränken, was dem mündigen Wähler bzw. der mündigen Bürgerin gegenüber ziemlich unverschämt ist, welche sich ja zwischen weit mehr Parteien und Wahllisten entscheiden sollen und nicht nur zwischen den Etablierten.

(Das wurde auf der inetbib-Liste für die Wahlprüfsteine des BID ja auch schon richtig kritisiert, wo insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass die Piratenpartei keine Spasspartei ist, sondern eine, die mit ihrem Themenspektrum Bibliothekarinnen und Bibliothekare interessieren müsste. Aber auch andere Parteien nicht zu fragen, scheint nicht wirklich demokratisch, solange man nicht zumindest begründet, warum man die nicht fragt. Das wäre ja bei Rechtsextremen wie der NPD, DVU und Republikanern oder religiös und esoterisch fundamentalistischen Gruppen wie den Violetten, PBC, AUF, Zentrum [der heutigen Partei Zentrum, nicht deren historische Vorgänger] und CM leicht möglich.)

Aber immerhin war hier die Gewerkschaft tatsächlich mal schneller, als der bibliothekarische Verband. Deswegen vielleicht zur ersten Orientierung die Ergebnisse, welche den Bibliotheks-/Archiv-/Dokumentationsbereich betreffen:

  • Die vorangestellten Forderung von ver.di: Bibliotheksrahmengesetz des Bundes, das Mindestanforderungen an die Ausstattung mit Bibliotheken, deren Standards und Finanzierung festschreibt. Bundeseinheitliche Berufsausbildung und Weiterqualifizierungen des Bibliothekspersonals, die den Ansprüchen einer Informationsgesellschaft Rechnung tragen.
  • Bündnis 90 / Die Grünen: Die Länder sollten sich in einem Staatsvertrag über Mindestanforderungen für Bibliotheken einigen. Dem Bund fehlt es an der nötigen Kompetenz, und die große Koalition wird diese in der Föderalismusreform II nicht schaffen. Wir befürworten eine moderne und anschlussfähige Aus- und Weiterbildung im Bibliotheksbereich, deren Qualität durch bundeseinheitliche Standards gesichert wird.
  • CDU / CSU: In Deutschland steht die Gesetzgebungskompetenz für Bibliotheksgesetze grundsätzlich den Bundesländern zu. Auf die Kategorie der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes wurde 2006 verzichtet.
  • Die Linke: DIE LINKE fordert ein bundesweit geltendes Gesetz, das den Unterhalt öffentlicher Bibliotheken zur Pflichtaufgabe erklärt und Anforderungen an die Ausstattung mit Bibliotheken, deren Standards und Finanzierung festschreibt.
  • FDP: Die Länder sollen Bibliotheksgesetze erlassen. Deren Betrieb muss ab einer gewissen Größenordnung der Gemeinden zur Pflichtaufgabe werden. Verfassungsrechtlich problematisch und ordnungspolitisch fragwürdig ist, die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Länder und Kommunen durch Bundesgesetz zu begrenzen.
  • SPD: Die SPD setzt sich dafür ein, über Bibliotheksgesetze der Länder öffentliche Bibliotheken zur Pflichtaufgabe zu erklären und Mindestqualitätstandards zu definieren. Eine Bibliotheksentwicklungsagentur sollte die Bibliotheken unterstützen. Die SPD unterstützt die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Berufsausbildung und Weiterqualifizierung von Beschäftigten in Bibliotheken.
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Kurt-Tucholsky Bibliothek wieder eröffnet, dass Konzept noch einmal in einem Nachrichtenbeitrag http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=5795/index.html http://weblog.ib.hu-berlin.de/p=5795/index.html#comments Sun, 29 Jun 2008 01:09:05 +0000 Karsten Schuldt http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=5795 Gestern wurde in Berlin-Pankow die Kurt-Tucholsky Bibliothek als ehrenamtlich betriebene, aber von Bezirk getragene Öffentliche Bibliothek neu eröffnet. Nach der angekündigten Schließung im November 2007 hatten Anwohnerinnen und Anwohner die Bibliothek besetzt. Aus dieser Besetzung ging der jetzige Trägerverein hervor. Hauptforderung des Vereins ist allerdings weiterhin, dass der Stadtbezirk die Bibliothek wieder vollständig übernehmen solle. [...]]]>

Gestern wurde in Berlin-Pankow die Kurt-Tucholsky Bibliothek als ehrenamtlich betriebene, aber von Bezirk getragene Öffentliche Bibliothek neu eröffnet. Nach der angekündigten Schließung im November 2007 hatten Anwohnerinnen und Anwohner die Bibliothek besetzt. Aus dieser Besetzung ging der jetzige Trägerverein hervor. Hauptforderung des Vereins ist allerdings weiterhin, dass der Stadtbezirk die Bibliothek wieder vollständig übernehmen solle.
Die Eröffnung schaffte es unter anderem in die Berliner Regionalnachrichten, die Abendschau: Beitrag als Text, Beitrag als Video.

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