Auf dem Ap[p]ellplatz: Die Urheber rufen zur Rettung der Zukunft.

Es ist immer bedauerlich, wenn eine auf Viertel- und Halbwissen beruhende Rhetorik, die beispielsweise Google Books und Open Access pauschal in einen Topf wirft und zu einer Sache verquirlt, die Debatte dominiert. Das kann man jedoch noch ausblenden. Problematischer wird es aber, wenn das Ganze in Aktionismus umschlägt und zu einem Aufruf “für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte” führt, der die Diskussion dann gleich durch eine Sturmlauf der Behauptungen überrennt und sowohl Freiheit wie auch Zukunft in akuter Gefahr wähnt:

Jeder Zwang, jede Nötigung zur Publikation in einer bestimmten Form ist [...] inakzeptabel …

Jeder, der publiziert wird dem zustimmen. Wenn die Freiheit von Literatur, Kunst und Wissenschaft Verfassungsgut aber  ist, dann ist sie ja auch durch die Verfassung geschützt. Wenn dieser Schutz nicht erfolgt, ist zweifellos die Politik am Zug. Aber muss man, weil ein Balken knirscht, gleich das ganze Haus niederbrennen wollen?

Scrollt man die Liste der Unterzeichner durch, die überwiegend aus dem Verlagswesen und den buchorientierten Wissenschaftskulturen stammen, merkt man, wohin das Dauerfeuer mit dem Mythos, die Verlage müssten von der Musikindustrie und deren Fehlern lernen, führt. Es ist kaum anzunehmen, dass Daniel Kehlmann zum Prince wird und sein nächstes Buch frei zum Download anbietet und dem Berliner Kurier beilegt. Dazu ist die kulturelle Distinktion der Branche, die jetzt die Barrikaden errichtet, schlicht zu hoch. Der weit verbreitete Irrtum, das Kapitel eines Buches sei einem Musiktitel gleich, erzeugt jedoch diskursiven Druck und mündet aktuell in einer unbestimmten Furcht bzw. darin, dass Autoren und Verlage ganz offensichtlich das Vertrauen in ihr Produkt und Lebensmittel – das gedruckte Buch – sowie in die Leserschaft und Kunden verloren haben.  Denn die Schlacht, die hier eigentlich geschlagen wird, ist die analog ausgerichteter Eliten, welche das Vertrauen in sich selber verlieren, gegen eine zukunftseuphorische Digitalkultur. Das die Welt ein besserer Ort ist, weil alle Bücher und Forschungsergebnisse permanent und überall online gelesen werden können ist eine genauso unsinnige Vorstellung, wie, dass ein starres Beharren auf dem Status Quo des Publikationswesens gegen die technischen Möglichkeiten rigoros zu verteidigen sei. Darum geht es auch nicht. Was wir beobachten, sind Verteilungskämpfe um Deutungs- und Markthoheiten, an deren Ende hoffentlich ein sinnvoller Kompromiß steht. Bedauerlicherweise verläuft sich der Diskurs zu oft in platter Ideologie und verzichtet auf das differenzierte Argument. Letztlich ist dies aber normal, wenn es an Distanz zur Sache und damit an Unterscheidungsvermögen mangelt.

4 Responses to “Auf dem Ap[p]ellplatz: Die Urheber rufen zur Rettung der Zukunft.”


  1. Lieber Herr Kaden,

    bitte noch ein “p” für den Appellplatz —

  2. @jge Sehr gern.

  1. [...] Spielkamp teilt sich in seinem Text zum Thema auf perlentaucher.de mit mir den Topf mit dem Quirl und bei Roland Reuß nicht übermäßig überzeugender Replik auf Gudrun [...]

  2. [...] der TAZ Spielkamp, Matthias: Open Excess: Der Heidelberger Appell auf Perlentaucher.de Kaden, Ben: Auf dem Apellplatz: Die Urheber rufen zur Rettung der Zukunft. im IBI Weblog Helfrich, Silke: Öffentlich finanziert – privat kassiert im CommonsBlog Roland [...]

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