An der Copacabana und am Wörthersee: Die E-Book-Debatte ist nach wie vor von einer allgemeinen Verunsicherung geprägt.

Aktuell regnen dank Messe Meldungen, Meinungen und Markteinschätzungen zum Thema E-Book ins Internet, dass man am besten alles abtropfen ersteinmal lässt, bevor man selbst noch seine Kanne dazugießt. Was man aber den Wortmeldungen zum Thema häufig anmerkt, ist, wie wenig die Protagonisten eigentlich über das Medium wissen und wie viel dabei in Kaffeesätzen herum- und vorgelesen wird. Hype trifft oft auf Halbwissen und führt dann zu solch unsinnigen Beiträgen, wie die kleine Radioreportage, die man neulich nachts im Deutschlandfunk in der Sendung Fazit hören konnte, aber danach am liebsten verpasst hätte.

Das Deutschlandradio Kultur hatte heute dagegen Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins und Verleger im Gespräch, der etwas überraschend zunächst das Medium E-Book mit dem Lesegerät synonym versteht und dann – oder deswegen – elektronische Texte ausgerechnet als untauglich für die wissenschaftliche Arbeit einstuft:

Bürger: Sie selbst sind ja auch Verleger der Berlin University Press. Ist das E-Book gerade im Bereich der Wissenschaftsliteratur eine interessante Alternative zum gedruckten Buch?

Honnefelder: Ich glaube, weniger. Solche wissenschaftlichen Texte, die wird man an seinem Schreibtisch haben wollen, wo man damit arbeitet. Da bietet der Vorteil des E-Books wenig. Sie können keine Notizen machen an den Rand, Sie können nicht gleichzeitig zwei Bücher lesen, aufschlagen. Für den Arbeitsbetrieb ist es also nicht geeignet.

Eventuell liegt es ja am Programm der bup, das überwiegend aus Titeln besteht, die man sich problemlos in der Sachbuchabteilung jeder größeren Buchhandlung vorstellen kann. Aber tatsächlich mangelt es dem ab heute in Deutschland erhältlichen Lesegerät an so ziemlich allem, was sich nicht nur Gottfried Honnefelder für die Arbeit im Text wünscht. Im Prinzip ist es kein Lesegerät, wenn man den Leseprozess tatsächlich als Interaktion mit dem Medium begreift, sondern ein Anzeigegerät. Ein Arbeitsgerät für elektronische Texte, wie es in der Wissenschaft sinnvoll wäre, sähe wohl eher wie eine Art Netbook aus, das vielleicht ein optimiertes Display und einen entsprechend reduzierten Stromverbrauch besitzt. Dafür aber eine Tastatur und die Möglichkeit, den Bildschirm zu teilen um zwei Textdokumente parallel anzuzeigen und Textstellen zu markieren, zu annotieren und über eine passende Schnittstelle in eine externe Anwendung (Textverarbeitungsprogramm, Weblog, etc.) zu exportieren. Abgesehen davon werden elektronische Texte in diversen Wissenschaftsdisziplinen schon spätestens seit dem Ende des letzten Jahrhunderts erfolgreich benutzt.

Verlässt das Gespräch im Anschluss das Feld der Wissenschaft, dann gelingt es dem Börsenvereinsvorsteher nicht ganz, den elitären Stich aus seiner Aussage herauszuhalten:

Bürger: Wofür dann?

Honnefelder: Zum Lesen!

Bürger: Sie selbst haben mal gesagt, es passt nicht ins Bett und zu Rotwein.

Honnefelder: Ich habe damit ausgedrückt, dass ich selber mir nicht das E-Book mit ins Bett nehme, aber ich kann mir gut vorstellen, dass mancher, der an die Copacabana geht, um sich dort zu sonnen, das E-Book mitnimmt und dort seinen neuesten Kriminalroman liest. Why not?

Mit dem Trendschmöker an den Strand und dann ordentlich durchbraten lassen – so stellt man sich also im Vorstand des Börsenverein den typischen E-Book-Leser vor und liegt damit sicher auch daneben. Zum Glück ist dem Interviewten nicht “Mallorca” herausgerutscht. Für den Börsenverein ist das Thema anscheinend trotz allem Libreka-Geklapper eher ein notwendiges Übel als ein Markt, dem man mit offenen Armen entgegenstürzt. Zurecht übrigens, denn für den E-Book-Vertrieb ist kein anderer als der Online-Handel sinnvoll. Den haben aber die vielleicht fünf Platzhirsche schon ganz gut unter Kontrolle. Ob iTunes den Börsenverein braucht, ist jedenfalls fraglich.
Die mittlerweile gut geplätteten Beispielszenarien von Strand bis “mit dem Rotwein vorm Kamin” sollte man sich dennoch mittlerweile schenken und vielleicht stärker bei der Sache selbst bleiben. Bei den DAISY-Hörbüchern, von denen heute 10.000 verkaufte Exemplare gemeldet werden, gelingt dies doch auch. Und die sind bei weitem das bessere Beispiel für eine sinnvolle Anwendung von elektronischen Büchern als der Krimi an der Copacabana.

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