Kein Bankgeheimnis: Das Web 2.0 als Wissensmanagment-Tool.

Was mir gestern das aktuelle Vanity Fair-Heft war, ist mir heute die nicht mehr ganz aktuelle Ausgabe von die bank. Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis. Man sieht, ich lebe das Bradford’sche Verteilungsgesetz exzessiv, wobei ich gar nicht zu sagen weiß, ob es für das Thema “Web 2.0″ schon Kernzeitschriften gibt – die statistisch erforderlichen 300 Publikationen zum Thema pro Jahr schafft man hier ja nun fast pro Woche – oder ob das Web 2.0 selbst nicht sogar so gestrickt ist, dass es die tradierten Zeitschriftenpublikationsregeln der Bibliometrie einfach aushebelt.

Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um einen kleinen Artikel im Februar-Heft (02/2007) der Stammzeitschrift des Bundesverband deutscher Banken. In diesem erläutert Edgar Lange, “freier Journalist in Düsseldorf”, das Phänomen an sich und dazu Anwendungsmöglichkeiten in der unternehmerischen Praxis. Und während der allgemeine Teil getreu seiner Intention das wiederholt, was überall mit drin steht (Tim O’Reilly hat’s benannt, Weblogs sind Netz-Journal, RSS steht für “Really Simple Syndication…) finden sich ein paar Ansätze für den Einsatz von Web 2.0-Elementen in Unternehmen beschrieben, die man als Bibliothekswissenschaftler vielleicht nicht gleich im Notizbuch hat.

Insgesamt scheint es wohl so, dass sich neue Möglichkeiten für Informations- und Wissensmanagement (sozusagen Wissensmanagement 2.0) und für die Kommunikation mit Kunden, Teilhabern, Franchise-Nehmern und wer sonst noch mit einem Unternehmen in Kommunikation treten soll, ergeben. Betriebswirtschaftlich bleibt festzuhalten:

“Dazu zählen auch Einsparmöglichkeiten beim IT-Etat: Office-Anwendungen, wie Kalender oder Textverarbeitungen, die heute noch auf dem Desktop laufen, werden mehr und mehr ins Internet verlagert.”

Gemeint ist natürlich das Google-eigene Weboffice-Paket, dass sich für so manchen Anwendungskontext sicher schon allein dadurch, dass es schlanker als Microsofts Büroalltagssoftware daherkommt, gut eignet. Dass es jedoch Unternehmen gibt, die zum jetzigen Zeitpunkt komplett umsatteln, bezweifle ich. Ich würde die Zweckmäßigkeit eher im Sinne einer Ergänzung sehen. Wichtiger als die momentane Realisierung ist sicher der Trend an sich zu bewerten:

“Immer mehr Mitarbeiter, die innovative Kommunikationstechnologien im privaten Umfeld nutzen, erwarten diese dann künftig auch an ihrem Arbeitsplatz.”

So werden auch z.B. unsere aktuellen Studierendenjahrgänge, die es mehr und mehr gewohnt, kollaborativ über Google-Docs, Zoho-Show und Wiki-Systeme zu arbeiten, kaum mehr mit großer Freude und Motivation dahin zurückkehren, dass man sich stapelweise Doc-Dokumente unterschiedlichen Standes hin- und her-emailt oder Besprechungstermine mit Post-Its an der Kühlschranktür in der Teeküche kommuniziert, wenn sie die Büroräume bei ihren künftigen Arbeitgebern beziehen, die dann – glaubt man der Prognose – zu einem großen Anteil virtuell sind:

“Früher bestand der Arbeitsplatz aus einem Schreibtisch mit 20 Fächern, mit Web 2.0 entsteht jetzt ein gemeinsamer, offener Arbeitsplatz.”

Und einen solchen finden z.B. die Mitarbeiter der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein mit dem dortigen Firmen-Wiki vor. Auch im Hause SAP nutzt man laut Bericht gern Wikis. Und woanders bestimmt ebenfalls.

Neben der Informationsproduktion z.B. im gemeinsamen Projektmanagement über Wikis steht selbstverständlich die Informationsrezeption im Alltagsmittelpunkt nicht nur von Bankangestellten. Dabei sollen RSS-Newsfeeds helfen und meine persönliche Erfahrung zeigt, dass sie dies – wenigstens in der Bibliotheksbranche – auch tatsächlich tun. Bei der internen Kommunikation lässt sich mittels Intranet-RSS-Angeboten die Zahl der rundgeschickten E-mails senken, wie es wohl bei einigen Sparkassen funktioniert. Auch kann man sich dank dieser technischen Option, wie die Immobilienfirma Engel & Völkers vorführt, die Hauszeitschrift einsparen:

“Das geht so schnell und unkompliziert, dass auch Führungskräfte Ad hoc-Meldungen produzieren, die sofort beim Mitarbeiter ankommen.”

Dass sie auch gelesen werden, ist damit freilich noch nicht garantiert, aber vielleicht lässt sich die Chance erhöhen.

Schließlich spielen auch Weblogs, die z.B. als Basislager oder -portal für RSS-Feeds betrieben werden können, eine wichtige Rolle bei der Kommunikation im Unternehmen. Die Auswertung der Blogosphäre selbst kann den Unternehmen als Werkzeug zum Monitoring dienen. Beispielsweise lässt sich über Technorati u.a. per Stichwort abfragen, wie das Image der Marke, Kampagne, des Produkts oder Aufsichtsratsvorsitzenden so eingeschätzt wird und was diejenigen unter den Kunden, die bloggen, denken. Selbstverständlich erreicht man damit nur spezifische Zielgruppen, diese aber relativ leicht und übersichtlich. Erwähnt wird im Artikel das Unterfangen des Kosmetikproduzenten Vichy, der sich am Anfang eine blutige Nase dadurch holte, dass er versuchte, Web 2.0 nur zu simulieren (mit einer künstlichen Kundin namens Claire). Die Blogosphäre merkte das natürlich und so gibt es für Vichy und all die anderen im Lesson Learned-Bericht zu lesen: Vorsicht bei Manipulationsversuchen – die Wisdom of the Crowd deckt’s in der Regel schnell auf und dann wird es umso peinlicher. Wieweit sich mit Weblogs tatsächlich Möglichkeiten zu einer sinnvollen, die Produktentwicklung begleitenden Anbieter-Kunden-Kommunikation ergeben, ist sicher je nach Produkt oder Dienst verschieden. Mir selbst scheint es eher so, dass sich viele produktbegleitende Weblogs, wie z.B. dieses ganz berühmte, vorrangig zur Markeneinführung oder zum allgemeinen Marketing eignen.

Zum Schluss seines kleinen Rundblicks gibt uns Edgar Lange die obligatorische (und in ihrer Allgemeinheit ganz richtige) Warnung mit auf den Heimweg:

“Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Cyberkriminalität und Datendiebe Web-2.0-Applikationen und -Services für ihre Zwecke missbrauchen. Anwender und Unternehmen sollten darauf vorbereitet sein und sich entsprechend schützen, um böse Überraschungen und den Verlust ihrer Daten zu vermeiden.”

Lange, Edgar: Das Mitmach-Web 2.0. In: die bank. Nr. 2 Februar 2007, S. 64-67

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