Archive for the 'Presse' Category

Nichts als Schreckgespenster. Die Süddeutsche Zeitung schickt einen Artikel zum Open Access gen Frankfurt

Wer nach einem schönen BBK-Vortrag z.B. zum Thema Open Access und geisteswissenschaftlichen Primärdaten bzw. konkret zum ECHO Projekt an einem solchen Dienstagabend in einem Straßencafé der Berliner Kastanienallee zum Nachtmahl einkehrt, bekommt die Süddeutsche Zeitung vom Mittwoch druckfrisch als Beilage serviert. Je nach Betrachtung lässt sich die aktuelle Ausgabe allgemein als Hors d’œuvre zum kulinarischen Ausklingen des Tages oder als Nachtisch zur Präsentation der digitalisierten Keilschriften und der daraus folgenden Umwälzungen in der Wissenschaftspraxis der Assyriologie lesen.

Oder mehr in Hinblick auf Open Access an sich, denn im Feuilleton lacht dem aufblätternden Betrachter ein Beitrag entgegen, der sich in der Überschrift am Titel der momentan vielgerühmten, aber mangels Online-Verfügbarkeit wohl weniger gelesenen Ausgabe der Zeitschrift Gegenworte orientiert. Titelt diese “Die Wissenschaft geht ins Netz”, so hat Johan Schloemann den Schritt in gewisser Weise bereits vollzogen und entsprechend liest man über dem Artikel: Die Wissenschaft im Netz.

Darunter folgt ein höchst lobenswerter Aufruf, der sich prima auf die heute in Frankfurt/Main stattfindende Urheberrechtstagung beziehen lässt: “Schluss mit dem Kulturkampf” und als Themenstellung für den Text “Die Chancen des Open Access.” Continue reading ‘Nichts als Schreckgespenster. Die Süddeutsche Zeitung schickt einen Artikel zum Open Access gen Frankfurt’

Lebensjahre Einsamkeit? Der Tagesspiegel sinniert über den Menschen und sein Wissen im Internet.

Früher pilgerten wir zu Bibliotheken und Archiven, den Lagerstätten für Wissenswertes. In Sälen und Hallen, still wie Kirchen, raschelten die Seiten, es roch nach Papier, man beugte sich über gebundene Konvolute oder lose Dokumente und kramte in alphabetisch sortierten Zettelkästen, sogenannten Katalogen. Seit Gutenberg den Druck der Lettern erfand, gibt es Bücher, und je mehr es gab, desto häufiger wurden sie gesammelt und sortiert.

In der heutigen Ausgabe des Tagesspiegels unternimmt Caroline Fetscher eine recht umgreifende Betrachtung dessen, was sich mit dem Internet in unseren Wissenspraxen ändert. Die Einsamkeit der Bibliotheksarbeitsplätze tauschen die Nutzer gegen eine andere, “wenn ihnen ein virtueller Megakontinent aus Daten zur Verfügung steht und sie mehr Lebenszeit vor dem Bildschirm verbringen als in der Auseinandersetzung mit Kollegen, Studenten, Patienten”. Die Autorin bezieht sich in ihrem Artikel sowohl auf Walter Benjamin wie auch Stevan Harnad und schließt mit dem gesamtgesellschaftlichen Fazit, dass die Technik uns zwar u.a. hilft, den Prozess der Zivilisation fruchtbar voranzutreiben, am Ende aber doch nur Werkzeug bleibt. Für “die höhere Reife” sorgt sie jedenfalls nicht von selbst. Den Volltext gibt es hier: Gigabytes statt Gutenberg

Bing ist besser als sein Vorbild, meint die New York Times

People won’t start dumping Google en masse; Google is a habit.

Die New York Times betrachtet Bing und Google im Vergleich und kommt zu dem Ergebnis: ” if you value your time, you should give Bing a fling.”: Bing, the Imitator, Often Goes Google One Better

OA in Austria, ein Interview im ORF

Die Wissenschaftsverlage bieten auch Hybridmodelle bei der Erwerbung der Zeitschriften an. Fairerweise muss man dazusagen, dass sich bei den Fachverlagen da auch ein Bewusstsein entwickelt hat. Sie diskutieren mit den Bibliotheken über Finanzierungsmodelle, die eine Reduzierung der Zeitschriftenpreise vorsehen, wenn die freigekauften Artikel einen bestimmten Schwellenwert erreicht haben. Der Markt reagiert schon auf diese Probleme, allerdings nur auf Druck des wissenschaftlichen Personals und der Bibliotheken.

In der ORF hat sich für seine “Futurezone” mit Brigitte Komp und Petra Oberhuemer von der Arbeitsgruppe Open Access der Universität Wien recht ausführlich über verschiedene Aspekte von Open Access allgemein und in Österreich unterhalten. Den Interview-Text gibt es hier: Open Access: “Bildung nicht nur für Eliten”

9 1/2 Milliarden und davon fast nichts durch E-Books: Der Buchhandelsumsatz 2008

Jedenfalls wandert im Bereich Wissenschaft ein ganzer Publikationszweig ins Internet ab, was keineswegs nur Nachteile für die Forschenden bedeutet, wie die Befürworter des “Open Access” zu betonen nicht müde werden. So bleibt beispielsweise die akademische Qualifizierung unabhängig von den mächtigen Verlagen und deren Forderungen nach teilweise horrend hohen Druckkostenzuschüssen.

Dei Frankfurter Rundschau meldet heute, dass der deutsche Buchhandel trotz allgemeiner Untergangsstimmung im Jahr 2008 immerhin  9,614 Milliarden Euro Umsatz zusammenbrachte. Das Medium “E-Book” spielt dagegen “in Deutschland wirtschaftlich noch überhaupt keine Rolle”. Ein wenig irritiert dies schon angesichts der heftigen Diskussionen zu diesem Thema. Die vermischen allerdings gern E-Books und andere elektronische Publikationsformen und damit in gewisser Weise den Publikumsmarkt und den wissenschaftlichen Markt.

Dass das E-Book-Angebot z.B. in den Universitätsbibliotheken, welches nicht selten analog zum E-Zeitschriften-Angebot gehandhabt wird, wirtschaftlich unerheblich ist, mag man angesichts der Paketpreise kaum glauben. Allerdings scheint es nicht unerwartbar, dass sich das E-Book in diesem Bereich ohnehin bald medial mit anderen Formen vermengt und in nicht allzu ferner Zukunft eher dynamische und vernetzte Dokumentstrukturen als Einzeldokumente vorliegen. Das Lehrbuch erscheint dabei als je nach individuellen Bedürfnissen temporär zusammengestellter Baustein (oder Knoten) in einer Sphäre von verknüpften Texten, Bildern, etc. und gern auch Primärdaten, der mit dem traditionellen Lehrbuch so wenig zu tun hat, wie Google Maps mit einem Atlas. Dann spätestens erweist sich die Buchmetapher hinter dem E als Anachronismus.

Den Text der Franfurter Rundschau gibt es hier: Krise verschont Buchhandel: Ein kleines Wunder.

Literaturstadt ohne Bibliothek: Josef Winkler über Klagenfurt

Aber für eine Stadtbibliothek in der Landeshauptstadt, wie es sie in jeder Stadt Mitteleuropas gibt, hatten diese drei erwähnten Politiker in den letzten Jahren, und eigentlich seit dieser Literaturwettbewerb existiert, kein Geld. Sie haben kein Geld für eine Bibliothek für Kinder und Jugendliche.

Die WELT druckt heute die grimmige Rede Josef Winklers zur Eröffnung des diesjährigen Bachmann-Wettbewerbes im wohl stadtbibliotheksfreien Klagenfurt: Todesfälle in Klagenfurt.

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“I believe in libraries”: Ray Bradbury über Bibliotheken und das Internet

This is a lucky thing for the Ventura County Public Libraries — because among Mr. Bradbury’s passions, none burn quite as hot as his lifelong enthusiasm for halls of books.”

In der New York Times gibt es einen schönen Artikel über Ray Bradbury, der sich einerseits gern mit Bo Derek trifft und sich andererseits überdurchschnittlich für Bibliotheken engagiert. Mit dem Medium Internet kann/will er allerdings wenig anfangen:

“It’s distracting,” he continued. “It’s meaningless; it’s not real. It’s in the air somewhere.”

A Literary Legend Fights for a Local Library

Nachts um zwei rettet Google das Semester: Eric Schmidt über den Zweck von Google Books

“What I think is great about books is that people just don’t go to libraries that much, but they are in front of the computer all day,” Mr. Schmidt said. “And now they have access. If you are sitting and trying to finish a term paper at 2 in the morning, Google Books saved your rear end. That is a really oh-my-God kind of change.”

Irgendwie wirkt der Ausdruck “term paper” in dem von Google CEO Eric Schmidt beschriebenen Zusammenhang ein wenig anachronistisch. Wie dem auch sei: die New York Times berichtet aus dem Googleplex in Mountain View und stellt die zentrale Frage der Webgesellschaft: How Good (or Not Evil) Is Google?
Eine eindeutige Antwort findet sie erwartungsgemäß nicht. Denn Google schlägt sich weniger mit moralischen Fragen als mit denen der Nützlichkeit herum. Insofern kontert Eric Schmidt so schlicht wie entwaffnend:

“[...] But the question is, how are we doing? Are our products working for you?”

Wissenschaftsmetriken in Wired

Wired berichtet heute über die Problematik der Quantifizierung wissenschaftlichen Erfolgs und gibt eine populärwissenschaftliche Einführung in Journal Impact Factor und Hirsch-Index. Die mit recht phantastischen Beispielzahlen versehenen Sätze

Say paper number one has been cited 10,000 times. Paper number two, 8,000 cites.

zum h-Index sollte man nicht für bare Münze nehmen.

O loi loi: der Piratenschutz Frankreichs ist auf Grund gelaufen

The highest constitutional body in France on Wednesday defanged the government’s plan to cut off the Internet connections of digital pirates, saying the authorities had no right to do so without obtaining court approval.

- meldet die New York Times. Das Loi Hadopi, mit dem die französische Regierung Raubkopierern den Netzzugang sperren wollte, ist also nicht nur nach Einschätzung des Conseil constitutionnel – dem französischen Verfassungsgericht – nicht verfassungskonform. Die Pressemitteilung des Gerichts findet sich hier. Christine Albanel, Ministerin für Kultur und Kommunikation, sagte, dass die Hadopi-Warnbriefe dennoch wie geplant verschickt werden. Nur auf die Abtrennung vom Netz wird verzichtet. Die Botschaft ist dann wohl “Wir wissen genau, was Du machst.” und ist eigentlich schon erschreckend genug. Allerdings wohl rechtmäßig.

Treffer! Versenkt!: Volker Gerhardts “bürokratischer Imperativ des Open Access” und die Schriftkultur

Steter Tropfen höhlt den Stein, sagt man sich wohl bei der FAZ. Besonders wenn es um den unsinnigen Kreuzzug gegen das Open-Access-Prinzip bzw.: den Open-Access-Imperativ geht. Heute schreibt mit dem Philosophen Volker Gerhardt durchaus einmal jemand, von dem man solides Argumentieren erwarten darf, allerdings nicht exklusiv für die FAZ, denn diese hat seinen Beitrag für die Schwerpunktausgabe der Zeitschrift Gegenworte (Heft 21) auf zeitungstaugliches Niveau zusammengekürzt. Damit muss man erst einmal auskommen, denn die Gegenworte sind noch nicht erschienen. Man traut aber der FAZ-Redaktion zu, dass sie sich im sinngemäßen Kürzen auskennt und bedankt sich für die vorgreifende Nachverwertung.

Der Artikel  mit der mächtig abgeschmackten Überschrift “Open Exzess: Die Folgen des Publizierzwangs” (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.06.2009, Seite N5) zeigt sich am Ende leider auch wieder nur als dystopisch kolorierte Angst vor einem “Monopol” elektronischer Publikationsformen und davor als ein Hohelied auf die Verdienste der Verlagslandschaft für die Wissenschaft und die Gefahren der Zerstörung (sowohl als auch) durch das freie Publizieren im Netz. Continue reading ‘Treffer! Versenkt!: Volker Gerhardts “bürokratischer Imperativ des Open Access” und die Schriftkultur’

Meine Presse! Hamburg bekommt jetzt auch seine Urheberrechtserklärung

Wenn es ums Urheberrecht im Internet geht, herrscht momentan große Appell- und Erklärungsfreude. Heute frisch vermeldet ist die “Hamburger Erklärung”, die nach der Hansestadt heißt, weil sie dort und von dort ansässigen Verlagen (Axel Springer AG („BILD“, WELT ONLINE), Bauer, Ganske, Gruner + Jahr, dem Spiegel-Verlag sowie dem Zeit-Verlag) unterzeichnet wurde. Gefordert wird diesmal eine Leistungsschutzrecht für die Verlage, die nach den Worten des Axel Springer-CEOs Mathias Döpfner im Raubritter- und Schurkennetz (meine Überspitzung) WWW permanent bedroht sind: Continue reading ‘Meine Presse! Hamburg bekommt jetzt auch seine Urheberrechtserklärung’

Der Traum im leeren Wald: Das Ende des Bloggens und die Furcht vor dem Internet in der ZEIT

Auch manche Bibliotheken, die es mal mit einem Blog versucht haben wissen, dass es beim Bloggen zwar “easy come” heißt, aber nicht “easy go”. Die New York Times bestätigt heute in einem Artikel (Blogs Falling in an Empty Forest) noch einmal das simple Phänomen, dass es zwar eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Weblogs gibt, aber nur ein Bruchteil wirklich regelmäßige Inhalte liefert. Zum Glück, möchte man meinen, denn die Feeds liefern auch schon auf diesem niedrigen Aktualisierungsniveau ausreichend Inhalte, die zwar selten brennend relevant sind, aber oft eben doch potentiell interessant klingen und daher gesichtet werden wollen:

According to a 2008 survey by Technorati, which runs a search engine for blogs, only 7.4 million out of the 133 million blogs the company tracks had been updated in the past 120 days. That translates to 95 percent of blogs being essentially abandoned, left to lie fallow on the Web, where they become public remnants of a dream — or at least an ambition — unfulfilled. Continue reading ‘Der Traum im leeren Wald: Das Ende des Bloggens und die Furcht vor dem Internet in der ZEIT’

e-only: Die Problemlage der Bibliotheken per dpa vermeldet

Wenn eines Tages das gesamte Wissen der Menschheit im Internet zu finden ist, wird man keine Bibliotheken mehr brauchen. Diese werden dann nur noch “Bucharchive” mit den entsprechenden Unikaten sein. Die Bibliothekare sollten sich darauf vorbereiten.

meint ein Leserkommentator namens Nachdenk [sic!] in der Internetausgabe des Münchner Merkurs zur dpa-Meldung zum Bibliothekartag und verdeutlicht, dass noch nicht jeder Nachdenkliche über Sinn und Zweck von Bibliotheken ausreichend informiert ist. In der Tat zeichnet der Nachrichtentext ein etwas einseitiges Bild, denn er vermittelt von der Überschrift bis zum obligaten Google-Verweis, dass es Bibliotheken hauptsächlich darum geht, digitale Dienstleistungen anzubieten. Gerade aber in öffentlichen Bibliotheken ist dies nur eine – oft berechtigterweise kleine – Facette der Bibliotheksarbeit.

Die unterschiedlichen Betriebsmodelle seien derzeit ein großes Problem für die Nutzer. “Die analoge Welt einfach auf die virtuelle zu übertragen, das funktioniert nicht“, sagte die Vorsitzende des Berufsverbandes Information Bibliothek, Susanne Riedel.

Ich fürchte, das große Problem besteht eher für die Einrichtungen, die gerade mit solch eigenwilligen Produkten wie der Onleihe genau diese Übertragung versuchen. Bibliotheken arbeiten im Idealfall nah am Bedarf der Nutzer und wo sie ihn beispielsweise aufgrund von Rahmenbedingungen (Darmstadt-Urteil) nicht komplett bedienen können, klären sie ihn über die Gründe auf und bieten Alternativen an. Es ist also in gewissem Umfang Aufgabe der Bibliotheken, die Lücke zwischen analog und digital und die Probleme damit zu überbrücken, in dem sie neben den Inhalten das vermitteln, was man gemeinhin Informationskompetenz nennt. Dann sollte die Frage analog oder digital auch kein großes Problem mehr für die Nutzer aufwerfen. Die mögen ohnehin oft einfach beides.

Die Meldung und den Kommentar von Nachdenk gibt es hier: Elektronische Medien fordern Bibliotheken heraus

Die Freiheit im Digitalen: Ein Text zum Open Access im Freitag.

Es wird nicht viel Wasser den Fluss hinabfließen, bis Open Access auch in den Geisteswissenschaften weltweit zum Standard wissenschaftlichen Publizierens wird – ganz ohne „technokratische Machtergreifung“ und äußeren Zwang. Ich als Altertumswissenschaftler brauche schon heute gedruckte Bücher und Open Access – und Verlage mit im Boot, die mir beides ermöglichen.

Hier sind wir wieder im freien Prognostizieren. Joachim Losehand rechnet heute im Freitag seine Rezeptionspraxis hoch und es ist natürlich schwer, ihm nicht Recht zu geben. (Losehand, Joachim: Der Zwang zur Freiheit. In: Freitag online. 20.05.2009 05:00) Continue reading ‘Die Freiheit im Digitalen: Ein Text zum Open Access im Freitag.’

Freikäufer der Werke? Das ORF befragt Falk Reckling vom FWF zum Thema Open Access

ORF.at: Das heißt, der FWF kauft die Beiträge der Wissenschaftler sozusagen frei?
Reckling: Das ist richtig, ja, so kann man es sagen.

Das ORF liefert heute über sein Webangebot ein vergleichsweise sehr ausführliches Interview mit Falk Reckling vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) zum Thema Open Access im Allgemeinen und zur Situation in Österreich im Speziellen.  Selbstverständlich wird auch noch einmal der Heidelberger Appell hinsichtlich seiner Schwächen gerupft. Allerdings gewinnt ihm Falk Reckling durchaus etwas Positives ab und man muss ihm eigentlich zustimmen:

Andererseits hat dieser Heidelberger Appell auch dazu geführt, dass es einer viel breiteren Öffentlichkeit erst klar geworden ist, worum es eigentlich geht. Open Access hätte ohne diesen Appell wahrscheinlich nie so viel Publizität bekommen, insofern hat das auch positive Auswirkungen.

Das Interview gibt es hier:  Freier Zugang zu geförderter Forschung

Ein Solitär und die Debatte ums Urheberrecht, drei aktuelle Texte zum Thema

Reuß hat zuletzt mit seinem „Heidelberger Appell“ zur Verteidigung der wissenschaftlichen Publikationsfreiheit enorme Unterstützung erfahren; auf der Berliner Tagung freilich blieb er ein Fremdkörper. Wissenschaft als das schöpferische Treiben genialer Individuen auf der unbeirrten Suche nach Wahrheit – das kann weder für den Wissensbetrieb als exemplarisch gelten, noch taugt es als Paradigma für ein Urheberrecht, das von Filmen über Unterhaltungsmusik und Literatur bis hin zu naturwissenschaftlichen Spezialaufsätzen sämtliche Erzeugnisse geistiger Schaffenskraft mit einem einheitlichen Schutz vor fremder Einwirkung versieht.

Der Rechtswissenschaftler Benjamin Lahusen hat für die heutige Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die letzte Woche im Bundesjustizministerium stattfindende Konferenz zur Zukunft des Urheberrechts zusammengefasst. Continue reading ‘Ein Solitär und die Debatte ums Urheberrecht, drei aktuelle Texte zum Thema’

Wir kriegen sie alle? Mit dem Plichtexemplargesetz?

Die Rückseite der Interim zum 01. Mai 2009, gerade am Tresen eines Kreuzberger Cafes gefunden.

Interim Mai 2009

Interim Mai 2009

Ich hab gelacht. Wer den Witz sieht, darf mitlachen.
Ansonsten zur Erklärung der Verweis auf Wikipedia, eine Geschichte über die Arbeit unserer Bundespolizei, in der die Interim vorkommt, und dem Verfassungsschutzbericht 2007.

Der Heidelberger Appell, abgepellt von Stevan Harnad

The Humanities are more book-intensive than other disciplines, but insofar as their journal articles are concerned, they are no different: their authors write them (and give them away) for usage and impact, not royalty income.

Stevan Harnad hat Joachim Güntners NZZ-Artikel Der Kampf ums Urheberrecht hat viele Schauplätze vom vergangenen Samstag gelesen, erkennt diesem einen gewissen Richtigstellungseffekt zu,  schüttelt nachvollziehbarerweise den Kopf über den Heidelberger Appell und informiert kurz die internationale OA-Öffentlichkeit über die aktuellen Vorgänge in Deutschland: Heidelberg Humanities Hocus Pocus.
Damit diese weiß, was hierzulande getextet wird, analysiert er obendrein die Heidelberger Erklärung anhand einer Übersetzung ins Englische Absatz für Absatz: Heidelberg Appeal Peeled

Na klar stimmt das, ich hab’s aus der FAZ! Der Mittwoch als Tag des Urheberrechtsstreits.

Sollte die Universität ihre Vorstellung durchsetzen können, würden ihre Forscher keine Bücher mehr veröffentlichen. Macht dieses Beispiel Schule, so läuft das auf eine Verabschiedung der geisteswissenschaftlichen Forschung von der Buchproduktion und tendenziell auf eine Abschaffung des wissenschaftlichen Buches und des geisteswissenschaftlichen Verlagswesens hinaus.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fährt in ihrer heutigen Ausgabe eine wahre Armada an Beiträgen zum Thema Urheberrecht und digitale Medien und generell gegen den Open Access auf. Wirklich überzeugen kann sie dabei aber nicht. Drei Lektüreeindrücke: Continue reading ‘Na klar stimmt das, ich hab’s aus der FAZ! Der Mittwoch als Tag des Urheberrechtsstreits.’

Gegen ist ohne Zukunft. Ein Leserbrief zur OA-Debatte in der FAZ

Für die Wissenschaftsverlage ist der Trend zum „open access“ vielleicht doch gar kein so großes Problem. Es spricht vieles dafür, dass vollständig im Internet vorliegende Texte trotzdem in Druckform gekauft werden, weil sich die Begeisterung, stundenlang zu lesen, offenbar in Grenzen hält. Dass sich die Verlage im Übrigen Gedanken machen müssen, wie sie mit dem und nicht gegen das Internet in Zukunft Geschäfte machen können, liegt gleichwohl auf der Hand.

Der vernünftigste Beitrag, den die Frankfurter Allgemeine derzeit zum Verhältnis von Open Access und Urheberrecht dieser Tage druckt, ist bezeichnenderweise ein Lesebrief (Ausgabe 30.04.2009, S.35). Der Münchener Kulturhistoriker Hubertus Kohle leuchtet so differenziert, wie es in dieser Form möglich ist, aus, welche Rolle Publizieren im Internet und nach einem Open Access-Modell spielt und vielleicht spielen wird und wäscht dabei dem Heidelberger Appell und seinen Hauptvertretern ein wenig den Kopf:

Man muss in der Tat den Mut haben, die Kultur von der Zukunft her zu denken und nicht immer die Bedingungen der Vergangenheit absolut zu setzen, die gerade dabei sind, radikal verändert zu werden. Und man muss willens sein, der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen, ob man sie mag oder nicht.

Blinde Zukunftseuphorie wäre sicher das andere Extrem. Ich bin mir aber sicher, dass Hubertus Kohle nicht darauf hinaus will. Ihm geht es, wie auch vielen anderen, deren Stimmen leider oft hinter schnellen und vordergründigen Zuspitzungen verloren gehen, um eine konstruktive Debatte zu dem, was sich gerade vollzieht und was perspektivisch an Entwicklung sinnvoll erscheint. Zur Frage allerdings, ob es gegen das geltende Recht verstößt, “wenn ein Geldgeber Auflagen für die Mittelverwendung formuliert”, kann er sich ja mal mit Volker Rieble unterhalten.

Die Angst vor dem Blitzschlag: Umberto Ecos kleine Speichermedientypologie in der Frankfurter Rundschau

Ein weiteres Manko ist, dass nahezu alle elektronischen Datenträger durch einen Stromstoß, Blitzschlag oder sogar noch banalere Ereignisse entmagnetisiert und gelöscht werden können. Wenn ein Stromausfall lange genug andauert, komme ich nicht mehr an meine Daten heran. Wenn mein Computer im fünften Stock aus dem Fenster fällt, kann ich mich darauf verlassen, alle Daten zu verlieren. Fällt aber ein Buch aus dieser Höhe, wird schlimmstenfalls die Bindung brechen.

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau betrachtet Umberto Eco ganz anschaulich und lebensnah verschiedene Speichermedien und deren Grenzen, die dann auch immer die der auf ihnen abgelegten Daten sind. Das Speichermedium Buch punktet dabei aufgrund seiner Robustheit, die der Mikroelektronik doch relativ überlegen scheint. Und er zieht eine elementare Unterscheidung zwischen Buch und elektronischen Medien:

Es scheint, dass die modernen Speichermedien mehr zur Verbreitung von Informationen taugen als zu deren Erhaltung. Bücher dienen seit langer Zeit sowohl der Verbreitung [...] als auch der Erhaltung unseres Wissens.

Dass ein Mikrofilm allerdings, wie Eco schreibt, anfälliger für Beschädigungen sein soll, als ein Buch, entspricht nicht dem, was ich gelernt und erfahren habe. Und zählen der Mikrofilm und die Fotos im Allgemeinen tatsächlich zu dem, was man mit elektronischen Speichermedien bezeichnet? Medienhistorisch meine ich hier eine unerwartete Unschärfe zu entdecken. Beschränkt man sich aber auf Digitalmedien, so stimmt es sicher, dass die Datenhaltung in diesen gemeinhin aufwendiger ist, da man seine Daten regelmäßig umkopieren muss. Und rein ästhetisch beurteilt sind die Plastikmedien (CDs etc.) zweifellos die weniger hübschen Schwestern des Papiers.  Ein CD-Rom-Regal im Wohnzimmer imponiert bestenfalls durch Konsequenz, eine in Schweinsleder gebundene Lexikonreihung ist schon an sich ein eindrucksvolles Objekt, besonders natürlich, wenn sie kaum Gebrauchsspuren aufweist.

Was die Daten(er)haltung angeht, stellt die so genannte Cloud mit ihren für den Nutzer virtuellen Speichern, eine Möglichkeit dar, dass man sich zukünftig solch Mühsal spart. Eine sichere und jederzeit verfügbare virtuelle Festplatte anzubieten ist vermutlich ein Geschäftsmodell im Web, das neben der Werbung funktionieren kann.  Wenn dann der Rechner aus dem Fenster fällt ist nur das prinzipiell ersetzbare Zugangsgerät verloren.  Man hörte übrigens schon von Datenrettungsspezialisten, die einer Festplatte selbst nach Stürzen aus höherer Höhe noch so manches entlocken konnten. Vielleicht ist der fünfte Stock dafür dann aber doch zu hoch… Eco setzt übrigens, wie er schreibt, auf doppelte Datenhaltung und besitzt die Weltliteratur sowohl auf Festplatte wie in Papier.

Den Artikel gibt es hier: Wenn der PC aus dem 5. Stock fällt

Open Access:Das Adenauer-Staatsfernsehen der Wissenschaft? In der FAZ geht’s ums Recht.

Morgen früh erwartet alle Beobachter der Debatte um den Heidelberger Appell und Open Access in der Rubrik “Forschung und Lehre” der Mittwochsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine kleine Überraschung. Denn jetzt wird die Argumentation juristisch. Der Münchener Arbeitsrechtler Volker Rieble hat sich dem Komplex angenommen, ihn u.a. verfassungsrechtlich durchleuchtet und kommt zu der Einsicht:

“Man kann also Roland Reuß und seinem „Heidelberger Appell“ zweifach zustimmen: Der einzelne Wissenschaftler darf nicht einmal „sanft“ an der freien Wahl des Veröffentlichungsmediums für seine Erkenntnisse gehindert werden. Universitäten und Großforschungseinrichtungen haben keine wissenschaftspublizistische Funktion. Wissenschafts- und Pressefreiheit setzen auf freie Autoren und freie Verleger. Das Kosten- und das Sparinteresse des Wissenschaftsverbrauchers rechtfertigt keine Freiheitsbeschränkung.”

Das Argument lautet also, dass es Universitäten “mithin verboten” ist, wissenschaftspublizistisch tätig zu werden. Das bedeutet also, dass Wissenschaftsverlage und von Universitäten publizierte Zeitschriften und erst recht die Repositorien, sofern sie als Veröffentlichungsplattformen gehandhabt werden, nicht nur eine unliebsame Konkurrenz für kommerzielle Verleger darstellen, sondern obendrein gesetzwidrig handeln. Ob dem tatsächlich so ist, liegt zu beurteilen fern meiner juristischen Kompetenz. Ich muss mich zunächst an das halten, was die Zeitung auf und zwischen den Zeilen schreibt. Und so sehe ich: Die Volte, die hier geschlagen wird, ist grandios, denn solch einen argumentativen Angriff aus der schon aufgeschlagenen Deckung hat die Open-Access-Bewegung sicher nicht erwartet. Wie plump dagegen das selbstgerechte Nachtreten Michael Hanfelds, der dem eingestellten Blog medienlese heute im FAZ-Feuilleton auf Schulhofniveau die Nase drehte. Qualitätsjournalismus fast wie beim ARD-Brennpunkt.

Hier sieht man im freien Publizieren, sofern es eine staatliche Forschungseinrichtung subventioniert, einen Anschlag auf die “staatsfreie Meinungsbildung”. Man darf gespannt sein, wann das Bundesverfassungsgericht Open Access-Publikationen über Hochschulserver untersagt. Was bei Publikationen über Hochschulen für Rieble in der Zuspitzung folgt, ist ein Monopol, das geradewegs in die Zensur führt (z.B. “durch Political Correctness”). In gewisser Weise wird hier der Publikationszwang auf OA-Servern, der der Bewegung unterstellt wird, geradezu gewendet. Aber eigentlich möchte auch Rieble Universitätsserver nicht verbieten. Vielmehr sieht er deren Aufgabe eindeutig, wenn auch nicht juristisch, definiert:

“Auch ein eigener (elektronischer) Universitätsverlag für eigene Schriften wie Dissertationen, Habilitationen ist denkbar. Traditionelle Nutzer sind froh, wenn schlechte Dissertationen auf Servern verschimmeln.”

Angriff sei die beste Verteidigung sagt man, und dieser kleine Baustein könnte sich bald in einer weitaus größeren Mauer wiederfinden. Im Anreißer zum Artikel liest man noch “Open Access? Ja, gerne, aber ohne Zwang.” Im Text findet man kein gerne mehr.

Aber noch eine messerscharfe Analyse dessen, was Bibliotheken sind und was ihnen droht:

“Klar ist zunächst eines: Aus der Bibliotheksfunktion lassen sich keine Publikationsrechte ableiten. Eine Bibliothek produziert nicht; sie hat nur Hilfsfunktion. Digitalisierung wird Bibliothekare verdrängen.”

Ob dieser letzte Satz womöglich noch eine verstärkte Aufforderung an die Bibliothekare zum Maschinenstürmen ist? Da hat er die Rechnung ohne die Etatkalkulation gemacht, die jedem Bibliothekar täglich zeigt, dass, wer Monographien kaufen möchte, an Elsevier-Zeitschriften sparen muss. Beziehungsweise umgekehrt. Die Front, die hier aufgezogen wird, verläuft sich hoffentlich im Magazin.

Quelle: Rieble, Volker: Forscher sind nicht normale Angestellte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 29.04.2009 Seite N5

“‘tschuldigung, ist das gut?”: Wer will so etwas einen Kindle-Leser fragen?

The practice of judging people by the covers of their books is old and time-honored. And the Kindle, which looks kind of like a giant white calculator, is the technology equivalent of a plain brown wrapper. If people jettison their book collections or stop buying new volumes, it will grow increasingly hard to form snap opinions about them by wandering casually into their living rooms.

Ähnlich problematisch erweist sich zukünftig die Kontaktanbahnung mit lässigen Eisbrecher-Sprüchen wie: “Wie ist denn das Buch?” auf der Liegewiese im Stadtpark, die Demonstration von intellektuellem Status durch den Ulysses unterm Arm auf dem Weg ins Büro (Nicholson Baker) sowie die virale Verbreitung von Buchtiteln, der man als Buchkäufer und Nahverkehrsnutzer anheimfällt, wenn man in der S-Bahn sieht, was die Mitreisenden lesen und neugierig wird. Kurz: Der Ausweis, den Cover und Titel des individuellen Buches in den Raum transportieren, wird durch den Einsatz gleichmacherischer Handgeräte, denen man bestenfalls mit den Fertigkeiten japanischer Handy-Gestaltungskultur eine individuelle Note verpassen kann, eingezogen. Wer Kindle liest, kann alles lesen.  Die New York Times fragt deshalb zurecht Is a Book still a Book on Kindle?.

Man kann sich fast sicher sein, dass in die Marktlücke zum Thema reihenweise Kindle-Aufkleber regnen, die Sprüche wie: “Proust only!” tragen. Spätestens die übernächste Kindle-Generation sollte das Problem dann lösen, in dem der kleine weiße Leseziegel mit einer dynamischen Titelanzeige auf der Rückseite sowie am Geräterand ausgestattet daherkommt. Im Wohnzimmerregal vermag dies zwar noch immer nicht zu überzeugen. Im ÖPNV aber vermutlich schon.

“a little bit here, a little bit there”: Die Zukunft des Lesens und des Schreibens

In other words, an infinite bookstore at your fingertips is great news for book sales, and may be great news for the dissemination of knowledge, but not necessarily so great for that most finite of 21st-century resources: attention.

Im Technikteil des Wall Street Journal findet sich ein sehr lesenswertes Essay Steven Johnsons, in dem er ausgehend von seinen Kindle und Hypertexterfahrungen über die Veränderung des Schreibens und Lesens von Büchern reflektiert, die mit der Öffnung und Einbindung von Buchinhalten in digitale Netze einhergeht. Das Vorher – also die traditionelle Praxis der Lektüre -  ist die Vorstellung des Buches als geschlossener Wahrnehmungsraum:

Because they have been largely walled off from the world of hypertext, print books have remained a kind of game preserve for the endangered species of linear, deep-focus reading. Online, you can click happily from blog post to email thread to online New Yorker article — sampling, commenting and forwarding as you go. But when you sit down with an old-fashioned book in your hand, the medium works naturally against such distractions; it compels you to follow the thread, to stay engaged with a single narrative or argument.

Das Nachher ist ein von Spontankäufen (Amazon), Popularitätsrankings mit Textstellen als kleinster Einheit (Google) und Textsprüngen sowie einem Dauerdiskurs (Soziale Software) mit einer hohen Bedeutung von Zitationen (wiederum Google) gelenktes Leseverhalten:

Imagine every page of every book individually competing with every page of every other book that has ever been written, each of them commented on and indexed and ranked. The unity of the book will disperse into a multitude of pages and paragraphs vying for Google’s attention.

Man kann darüber, wie auch über andere Punkte selbstverständlich diskutieren und fragen, inwieweit es sich in solch einem Netz aus Passagen und Zitationen überhaupt noch anbietet, von “Büchern” zu sprechen, oder ob die Form “Buch” in Gestalt dessen, was aktuell noch erzeugt und zunehmend digitalisiert wird nicht als Form selbst verschwindet, während sich das fragmentarische, hypertextuelle und offene Schreiben zu einer eigenen, früher oder späteren dominierenden Medienform entwickelt, die auf die Bezeichnung “Buch” selbst als Metapher verzichtet. Gerade deshalb kann man den schönen Text aber einmal lesen und gerade die Folgen der Veränderung im Umgang mit dem, was man “Aufmerksamkeit” nennt, werden nicht nur Betriebspsychologen noch eine Weile beschäftigen: How the E-Book Will Change the Way We Read and Write.

(via New York Times’ Paper Cuts)