Jugend schreibt – sich ab. Wie sich der Kölner Stadt-Anzeiger die Digital Natives vorstellt.

Während ich hier ziellos herumlaufe, aktualisiert sich das Internet im Sekundentakt, denke ich mir. Und dann noch der Gestank. Schon als Kind fand ich diese dicken alten Schinken einfach nur eklig. Diese Leute, die mir ständig erzählen, wie toll der Geruch von 1000 Blatt Papier sei; wie sinnlich das Gefühl des Umblätterns von Papier im Gegensatz zum Internet-Scrollen – die gehen mir einfach auf den Keks. Waren die eigentlich noch nie in einer Parfümerie?

Die Motivation zu ergründen, mit der der Kölner Stadt-Anzeiger einen Artikel namens Gestank in den Regalschluchten aus der Tastatur einer Rasee Takana, Mitarbeiterin im “„Junge Zeiten“-Team der Redaktion Köln-Stadt” ins Blatt genommen hat, dürfte sich als zweitdeprimierenste Aufgabe des Tages erweisen. Die deprimierenste ist freilich die Lektüre des Textes selbst, es sei denn, man nimmt ihn als Realsatire. In jedem anderen Fall ließe er tief in den traurigen Zustand des deutschen Journalismus blicken. Handwerklich dürftiger geht es kaum und eigentlich möchte man nicht glauben, dass es diese Rasee Takana wirklich gibt. Womöglich ist der Text nur ein schlechter Ulk einer gelangweilten Redaktion, die sich vorstellt, wie es wäre dem jungen Internetvolk auf’s Maul zu schauen und nach dem Mund zu schreiben. Aber ganz so dämlich möchte man sich selbst mit größter Böswilligkeit die heute Siebzehnjährigen wirklich nicht vorstellen. Den “Jungen Zeiten” der Zeitung wünscht man jedenfalls einen qualitätsbewussten Textredakteur, der solcher Bloßstellung eigener Begrenztheit einen Riegel vorschiebt oder wenigstens das Label “Satire” anklebt.

Das Mitgefühl muss aber jenen freien Journalisten gelten, die so etwas lesen und parallel Briefe, wie den heute in der medienlese veröffentlichten, schreiben bzw. in sich hinein schweigen. Der nächste Billy-Kassensturz-Tatort könnte anscheinend durchaus auch mal im Redaktionsmilieu angesiedelt werden. Das viel herbeigerufene Ende des deutschen Qualitätsjournalismus – zudem man zugegeben ein Lokalblatt wie den Kölner Stadt-Anzeiger nicht unbedingt zählen muss – ereignet sich jedenfalls bestimmt nicht in der Blogosphäre. Er wird ganz offensichtlich im eigenen Haus gemacht. Und

“[...] hinter mir stehen hundert andere, die es noch nötiger haben als ich, die vielleicht noch schneller sind, noch billiger, noch entgegenkommender. Das sind nicht nur andere freie Journalisten wie ich, das sind auch Lehrer, Professoren, Schiedsrichter, Profisportler und andere Leute mit festem Job und gutem Einkommen. Leute, die auf das Geld nicht angewiesen sind und aus Spaß an der Freude Artikel und Fotos und Blogbeiträge abliefern, aus Eitelkeit oder um die eigene Karriere voranzutreiben. Meine Artikel gehören zu den Besten, einige sind preisgekrönt, doch das nutzt mir nicht viel, denn das sind andere auch: im Print und Online steht den Verlagen ein scheinbar unerschöpflicher Pool äußerst preiswerter Mitarbeiter zur Verfügung, das wisst ihr sehr gut und das nutzt ihr Tag für Tag für eure Arbeit aus.”

Gut und billig geht im Journalismus wie auch sonst kaum dauerhaft zusammen. Und deswegen ist der Gestank in der Bibliothek dafür symptomatisch, dass der Pool in gewisser Weise doch bereits gründlich ausgeschöpft ist.

(Fundstück 1 via netbib-weblog)

2 Responses to “Jugend schreibt – sich ab. Wie sich der Kölner Stadt-Anzeiger die Digital Natives vorstellt.”


  1. [...] Das die Diskussion um die Digital Natives und ihr Verhältnis zu Bibliotheken eine ganz wichtige und interessante ist, zeigen die Beiträge (+ Kommentare) zum Artikel “Gestank in den Regalschluchten” aus dem Kölner Stadtanzeiger vom 30.01.09 hier, hier und hier. [...]

  2. [...] „schlechte” Schreibstil (darüber kann ich nichts beurteilen) hat sie eigentlich auf den aktuellen [...]

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