Gegen die Community: Flickr erlebt sein Web 2.0-Waterloo, gerade und live im Internet

Wer die Dynamiken einerseits von Nutzer-Empowerment und andererseits des Web 2.0 an sich einmal live mitverfolgen möchte, bekommt gerade bei der zu Yahoo! gehörenden Fotocommunity “Flickr” die Möglichkeit dazu. Hintergrund ist die stillschweigende Einführung eines Filters für deutsche Nutzer, die nun die Kindersicherung (Safe Search) bei der Bildbetrachtung nicht mehr ausstellen können, was sie von einem großen Teil der Fotobestände ausschließt. Zudem wurde die Flickr-Policy dahingehend geändert, dass Nutzer ihren Inhalt nun – in Übereinstimmung mit von Flickr festgelegten Kriterien – selbst als “ungefährlich”, “möglicherweise anstößig” oder “anstößig” klassifizieren müssen. Fehlklassifikation können nach einmaliger Mahnung zum Ausschluss aus der Community führen.
Während der letztere Aspekt von einem Großteil der Community nicht zur Kenntnis oder einfach so hingenommen wurde, stößt die Einschränkung der Nutzbarkeit für deutsche Nutzer auf große Empörung. Yahoo! und Flickr erweisen sich dabei bislang unerklärlicherweise als völlig unfähig, die Situation kommunikativ zu entschärfen, wie man hier live mitlesen kann (flickr now censoring all moderate and restricted photos from Germany). So gelingt den Foto-Web2.0-Vorreitern anscheinend das Kunststück, das ohnehin in der Praxis schon ziemlich perforierte Radical Trust-Prinzip in der Web 2.0-Community bei einem Teil ihrer Nutzer und Kunden in Radical Mistrust zu verwandelen. Dass solch ein PR-GAU, der nun, da Mainstream-Medien das vielleicht 24 Stunden alte Thema langsam entdecken, so richtig einzutreten scheint, für ein Unternehmen nicht unbedingt vorteilhaft ist, ist eindeutig. Man darf gespannt sein, ob, und wenn ja mit welcher Volte, hier den Yahoo!- und Flickr-PR-CEOs die Ehrenrettung gelingt.

P.S. Sehr interessant ist auch, wie hier Tags ganz proaktiv eingesetzt werden. Allerdings dürfte solchen Tagclouds wie die zu “In the last 24hours” so manche Bibliotheksverantwortliche hinsichtlich einer Implementierung in den eigenen OPAC wieder zurückschrecken lassen.

P.S. No. 2

Ein kleiner Hintergrundtext findet sich bei SPIEGEL online: Flickr verbietet Deutschen Nacktfotos.
Da Flickr selbst schweigt, wird gemutmaßt. Beim Spiegel wird der Grund der Forenhaftung und der damit verbundenen Kontrollpflicht angeführt:

“Was genau diese Pflicht erfüllt, legen deutsche Gerichte unterschiedlich aus. Trautmann vermutet hinter dem deutschen Flickr-Zwangsfilter den Versuch, ohne großen und teuren Moderatoren-Einsatz diese Pflicht mittels der Software zu erfüllen. “Das ist ein Feigenblatt, um zu sagen, man habe die Pflicht ernst genommen.” Klar ist: Durch das jetzige Vorgehen von Flickr sind die Nutzer zum einen angehalten, Ihre Inhalte einzuordnen, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen, ob sie Persönlichkeitsrechte oder andere Gesetze verletzen. Zum anderen tauchen entsprechende Inhalte gar nicht erst im Forum auf.”

3 Responses to “Gegen die Community: Flickr erlebt sein Web 2.0-Waterloo, gerade und live im Internet”


  1. Mittlerweile gibt es eine offizielle Stellungnahme von Yahoo/Flickr, die allerdings nicht unbedingt eine “Volte” darstellt, sondern die meisten deutschen Flickr-Nutzer so begeistern wird, wie die Aktion selbst. Vorallem staunt der Beobachter, warum ein Internet-Konzern wie Yahoo so um die 40+ Stunden benötigt, um eine solche Pressemitteilung zu formulieren…

  1. [...] sich noch jemand an den Aufstand der Flickr-Nutzer vor etwa einem Jahr? (vgl. hier) Es könnte sein, dass e-Buchmarkt-Platzhirsch Amazon demnächst die Giftpfeile des Boykotts [...]

  2. [...] 2007 um einen freien Zugang zu allen (öffentlichen) Inhalten in der Community kämpften (vgl. hier), haben sich die Nutzer von Facebook ihr Recht auf das Löschen ihrer Spuren auf der Plattform [...]

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